Paper of the Month #28 |
12.12.2011 |
Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: Paper of the Month #28 – "Unerwünschte Ereignisse im Spital – jeder Tag ein (neues) Risiko?"
Hauck K, Zhao X:
How Dangerous is a Day in Hospital? A Model of Adverse Events and Length of Stay for Medical Inpatients Medical Care 2011; epub ahead of print Thema: "Unerwünschte Ereignisse im Spital – jeder Tag ein (neues) Risiko?"Aus vielen Ländern liegen inzwischen "adverse event"-Studien vor, welche die Inzidenz unerwünschter Ereignisse bezogen auf stationäre Aufnahmen im Spital quantifizieren. Es liegt nahe, dass das Risiko für ein unerwünschtes Ereignis mit der Aufenthaltsdauer steigt. Allerdings fehlen bislang Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen Aufenthaltsdauer und unerwünschten Ereignissen analysieren und dabei die methodische Komplexität angemessen berücksichtigen. Beispielsweise liegt es nahe, dass es Faktoren (z.B. patientenseitig) gibt, die sowohl die Aufenthaltsdauer als auch das Risiko für unerwünschte Ereignisse beeinflussen ("Endogenität"). Hauck und Zhao entwickelten ein Modell, das diese Zusammenhänge berücksichtigt. Sie quantifizieren dabei den Einfluss der Aufenthaltsdauer auf drei häufige, unerwünschte Ereignisse: Unerwünschte Arzneimittelereignisse, Spitalinfektionen, sowie Dekubitus. Das Auftreten eines dieser Ereignisse wurde als Funktion von Patientenmerkmalen (z.B. Komorbiditäten), Spitalmerkmalen und Aufenthaltsdauer modelliert. Die Analyse basiert auf den administrativen Daten aller stationären Aufenthalte in öffentlichen Spitälern im Bundesstaat Victoria, Australien, der Jahre 2005/2006 und umfasst mehr als 200'000 Behandlungsepisoden. Die Autoren entwickelten ein Mehrgleichungsmodell mit instrumentellen Variablen, welches das "Endogenitäts"-Problem korrigiert. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlicher Spitalaufenthalt von 5 Tagen ein Risiko von 5.5% für ein unerwünschtes Arzneimittelereignis, von 17.6% für eine Spitalinfektion sowie von 3.1% für einen Dekubitus darstellt. Jede zusätzliche Nacht im Spital erhöht das Risiko für ein unerwünschtes Arzneimittelereignis um 0.5%, für eine Spitalinfektion um 1.6% und um 0.5% für einen Dekubitus. Bei einem Spitalaufenthalt von 8 Tagen (7 Übernachtungen) steigert sich das Risiko auf 6.1% für ein Arzneimittelereignis, auf 20.6% für eine Infektion und auf 2.5% für einen Dekubitus. Neben der Aufenthaltsdauer haben auch andere Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses. Beispielsweise ist die notfallmässige Aufnahme im Vergleich zur elektiven Aufnahme mit einem 2% höheren Risiko für Arzneimittelreaktionen und einen 7.3% höheren Risiko für eine Infektion verbunden. Die grossen Vorteile der Studie von Hauck und Zhao sind die umfassende Datenbasis und die methodische Modellierung, welche die komplexen Zusammenhänge zwischen Aufenthaltsdauer und unerwünschten Ereignissen berücksichtigt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass mit langen Spitalaufenthalten das Risiko für unerwünschte Ereignisse erheblich ansteigt. Dies unterstreicht zum einen, dass weiterhin starke Anstrengungen nötig sind, um dieses Risiko zu reduzieren. Zum anderen sollte das mit einem längeren Spitalaufenthalt verbundene Risiko auch bei der Entlassungsplanung berücksichtigt werden. Kürzere Spitalaufenthalte sind längeren Aufenthalten dann vorzuziehen, wenn es sichere und angemessene Alternativen gibt, zum Beispiel im Rahmen der ambulanten Versorgung. PD Dr. D. Schwappach, MPH, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit. Dozent am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern Link zum Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21945976 (Den Volltext können wir aus Copyright Gründen leider nicht mit versenden). "Paper of the Month" Mit dem "Paper of the Month" möchte die Stiftung für Patientensicherheit eine interessante Dienstleistung für diejenigen Personen erbringen, die einerseits bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen up-to-date sein möchten, andererseits nicht über die Ressourcen verfügen, das gesamte Feld zu beobachten. Die Stiftung für Patientensicherheit stellt etwa alle vier Wochen eine aktuelle wissenschaftliche Studie zur Patientensicherheit und ihre Kernergebnisse vor. Sie wählt dafür internationale Studien aus, die einerseits eine hohe Qualität aufweisen und die sie andererseits subjektiv als wichtig beurteilt, zum Beispiel aufgrund einer wichtigen Fragestellung oder einer innovativen Methodik. |