Paper of the Month #38 |
22.03.2013 |
Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: Paper of the Month #38 – "Erkennen von unerwünschten Arz-neimittelereignissen bei älteren Patienten"Klopotowska JE, Wierenga PC, Smorenburg SM, Stuijt CC, Arisz L, Kuks PF, Dijkgraaf MG, Lie-A-Huen L, de Rooij SE: Recognition of adverse drug events in older hospitalized medical patientsEuropean Journal of Clinical Pharmacology 2013, Vol. 69, 75-85 Thema: "Erkennen von unerwünschten Arz-neimittelereignissen bei älteren Patienten"Unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) sind ein häufiges Risiko für die Patientensicherheit und mit er-heblichem Schadenspotential verbunden. UAE be-zeichnen Schädigungen im Zusammenhang mit der Pharmakotherapie, die entweder bei angemessener und korrekter Medikation entstehen können (die typi-sche Nebenwirkung) oder aber auf einen Medikations-fehler zurückzuführen sind und dann grundsätzlich vermeidbar wären. Ältere Patienten haben durch Poly-pharmazie, beeinträchtigte Organfunktionen und weite-re Faktoren ein erhöhtes Risiko für UAE. Zudem ist das zeitnahe Erkennen von UAE beim älteren Patienten wichtig, stellt aber oft eine besondere Herausforderung für die Fachpersonen dar. Klopotowska et al. unter-suchten in ihrer Studie, wie häufig UAEs bei älteren Patienten auftreten und wie gut medizinische Teams im Spital sie erkennen. An der Studie beteiligten sich die Medizinischen Departemente von drei Spitälern (500-1000 Betten) in den Niederlanden. 250 Patienten älter als 65 Jahre, die bei Aufnahme in der medizinischen Klinik fünf oder mehr Medikamente einnahmen, wurden konsekutiv in die Studie eingeschlossen. In einem ret-rospektiven, zweistufigen Verfahren analysierten Ex-perten (Pharmazeuten und Ärzte) die Patientendoku-mentationen anhand von „triggern“ (z.B. Vitamin K Verordnung als Hinweis auf eine Überantikoagulation mit Cumarinen) dahingehend, ob ein UAE vorlag (klini-sches Bild oder Labor), Schwere und Vermeidbarkeit der UAEs, sowie das Erkennen des UAE durch die be-handelnden Fachpersonen. Ein UAE wurde als „nicht erkannt“ gewertet, wenn die Dokumentation keinerlei Hinweis enthielt, dass das Team das UAE festgestellt oder darauf reagiert hat (z.B. durch Dosisanpassun-gen, Verordnungen, Untersuchungen oder andere Handlungen). Sie berücksichtigten dabei sowohl UAEs, die bei Spitaleintritt vorlagen, als auch solche, die wäh-rend des Aufenthaltes entstanden. Die Übereinstim-mung der Experten in ihrer Einschätzung war gut (Kappa-Werte zwischen 0.7-0.9 für die verschiedenen Erhebungs-Dimensionen).Insgesamt konnten 269 UAEs in den Krankenakten festgestellt werden. 60 UAEs/100 Hospitalisationen wa-ren schon bei Aufnahme präsent. 47 UAEs/100 Hospi-talisationen traten während des Aufenthaltes neu auf. Von allen UAEs wurden 47% als schwerwiegend, le-bensbedrohlich oder tödlich bewertet. Bei 20% der UAEs liess sich keinerlei Hinweis darauf finden, dass die behandelnden Teams das UAE erkannt haben. Von den schwerwiegenden, lebensbedrohlichen oder tödli-chen UAEs wurden 8% nicht erkannt. 50% der UAEs wurden als vermeidbar beurteilt, das heisst waren auf einen Medikationsfehler zurückzuführen. Diese ver-meidbaren UAEs wurden signifikant seltener erkannt als nicht-vermeidbare UAEs, nämlich nur zu 70% (vs. 90% der nicht-vermeidbaren UAEs). Die häufigsten Medikationsfehler waren das Auslassen einer Verord-nung (25%), die Verordnung einer falschen Dosis (25%), sowie die Verordnung eines kontraindizierten Medikaments (20%). Die Daten zeigen, dass UAEs bei älteren Patienten sowohl bei Eintritt als auch während des Spitalaufenthaltes häufig vorkommen. Etwa die Hälfte der Ereignisse ist auf einen Medikationsfehler zurückzuführen. Ein erheblicher Teil der Schädigungen (verschlechterte Klinik oder Labor) werden von den be-handelnden Fachleuten nicht auf die Medikation oder einen Medikationsfehler zurückgeführt. Die Studie hat ihre Einschränkungen vor allem in dem retrospektiven Design, welches auf eine vollständige Dokumentation angewiesen ist und daher tendenziell eine Unterschät-zung der Probleme vermuten lässt. Schwerwiegende UAEs werden von den Fachpersonen recht zuverlässig erkannt, während weniger bedrohliche Ereignisse oft unerkannt bleiben. Besondere Beachtung verdient der Aspekt, dass auf Medikationsfehler zurückzuführende Schädigungen deutlich seltener erkannt werden. Prof. Dr. D. Schwappach, MPH, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit. Dozent am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern Link zum Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22673927 (Den Volltext können wir aus Copyright Gründen leider nicht mit versenden). |