Paper of the Month #8 |
02.03.2009 |
Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: "Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und nosokomialen Infektionen bei Patienten im Spital"Virtanen M, Kurvinen T, Terho K et al.: Work hours, work stress, and collaboration among ward staff in relation to risk of hospital-associated infection among patients Medical Care. 2009;47(3): 310-318 Thema: Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und nosokomialen Infektionen bei Patienten im SpitalEtwa 5-10% der Patienten ziehen sich während des Spitalaufenthaltes eine Infektion zu. Ein wesentlicher Risikofaktor für solche nosokomialen Infektionen ist die unzureichende Händehygiene der Mitarbeiter. Virtanen et al. untersuchen in ihrer Studie den Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter und der Infektionsrate bei Patienten in sechs finnischen Krankenhäusern. Die zugrundeliegende Annahme war, dass die Arbeitsbelastung die korrekte Händehygiene behindert, was wiederum das Infektionsrisiko der Patienten erhöht. Insgesamt wurden 1092 Patienten in die Studie eingeschlossen. Das Auftreten einer nosokomialen Infektion wurde durch geschulte Pflegefachpersonen („Hygienefachschwestern“) anhand standardisierter Kriterien erhoben. Die Arbeitsbelastungen wurden durch eine Befragung der Mitarbeiter anhand standardisierter Messinstrumente erhoben. Es handelt sich also um die selbst-wahrgenommene Arbeitsbelastung der Mitarbeiter. Der Einfluss anderer Risikofaktoren für Spitalsinfektionen, wie beispielsweise Patientenalter oder Diagnose, wurde durch Adjustierung dieser Merkmale kontrolliert. Insgesamt trat bei 9.1% der Patienten eine nosokomiale Infektion auf. Arbeiteten die Mitarbeiter auf einer Station im Durchschnitt mehr als 8 Stunden 45 Minuten, dann war das Risiko für die Patienten fast dreimal so hoch, eine Infektion zu erleiden im Vergleich zu Stationen, auf denen die Mitarbeiter durchschnittlich weniger als 8 Stunden 45 Minuten arbeiteten (Odds ratio 2.74). Starke Gratifikationskrisen (effort-reward imbalance, also ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen den persönlichen „Kosten“ und dem „Gewinn“ durch die Arbeit), geringes Vertrauen zwischen den Mitarbeitern auf einer Station, die als ungerecht empfundene Verteilung der Arbeitsbelastung sowie die schlechte Zusammenarbeit zwischen den Leitungskräften einer Station waren jeweils mit einem etwa zweifach erhöhten Risiko für eine Infektion der Patienten verbunden. Damit entspricht das Risiko jeder dieser Faktoren in etwa dem Infektionsrisiko das mit dem Einsatz eines invasiven Instrumentes (z.B. zentraler Venenkatheter, Harnkatheter, Intubation, etc.) verbunden ist. Die Ergebnisse legen nahe, dass die selbstwahrgenommene Arbeitsbelastung die korrekt durchgeführte Infektionsprophylaxe reduziert. Die korrekte Durchführung von Massnahmen der Infektionsprophylaxe kann durch mindestens zwei Mechanismen durch die Arbeitsbelastungen beeinträchtigt sein: Zum einen durch Müdigkeit oder mangelnde Aufmerksamkeit; zum anderen – insbesondere bei den Faktoren „Gratifikationskrise“ und „ungerechte Verteilung der Arbeit“ – durch ein eingeschränktes committment oder mangelnde Motivation zu Massnahmen der Patientensicherheit. Eine wichtige Einschränkung der Studie liegt darin, dass es sich um Querschnittsdaten handelt, die keine Aussagen über die Kausalität der Assoziation zwischen Infektionen und Arbeitsbelastungen zulassen. So wäre es theoretisch auch möglich, dass eine hohe Infektionsrate zu einer besonders hohen Arbeitsbelastung führt, und nicht umgekehrt. Klar wird in der Studie jedoch, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen Faktoren gibt und dass die subjektiv wahrgenommene Arbeitssituation der Mitarbeiter im Spital in einer nachweisbaren und deutlichen Beziehung zu den Ergebnissen der Versorgung, in diesem Fall dem Infektionsrisiko, steht. PD Dr. D. Schwappach, MPH Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit Link zum Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19194334 "Paper of the Month" Mit dem "Paper of the Month" möchte die Stiftung für Patientensicherheit eine interessante Dienstleistung für diejenigen Personen erbringen, die einerseits bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen up-to-date sein möchten, andererseits nicht über die Ressourcen verfügen, das gesamte Feld zu beobachten. Die Stiftung für Patientensicherheit stellt etwa alle vier Wochen eine aktuelle wissenschaftliche Studie zur Patientensicherheit und ihre Kernergebnisse vor. Sie wählt dafür internationale Studien aus, die einerseits eine hohe Qualität aufweisen und die sie andererseits subjektiv als wichtig beurteilt, zum Beispiel aufgrund einer wichtigen Fragestellung oder einer innovativen Methodik. |