26.02.2008 |
Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: "Befragung von Ärzten zu Fähigkeiten in der Berechnung von Medikations-Dosierungen"
Simpson CM, Keijzers GB, Lind JF: A survey of drug-dose calculation skills of Australian tertiary hospital doctors Medical Journal of Australia. 2009;190(3): 117-120
Thema: Befragung von Ärzten zu Fähigkeiten in der Berechnung von Medikations-Dosierungen
Medikationsfehler stellen eines der wichtigsten Probleme der Patientensicherheit dar. Der Medikationsprozess beinhaltet von der Verordnung bis zur Administration von Medikamenten eine Vielzahl von einzelnen Schritten, die mehr oder weniger anfällig für Fehler sind. Ein zentraler Schritt im Medikationsprozess ist die korrekte Kalkulation von Dosierungen. Gerade die Berücksichtigung von Patientencharakteristika (z.B. Körpergewicht) und die Konversion zwischen verschiedenen Masseinheiten stellen dabei oft eine Herausforderung dar. Simpson et al. untersuchen in ihrer Studie die Fähigkeiten von ärztlichen Mitarbeitern eines Spitals in Australien, korrekte Dosierungen zu berechnen. Sie befragten dafür mit einem schriftlichen Fragebogen Ärzte, die in der Patientenversorgung tätig sind. Neben einigen Aspekten persönlicher Verordnungsgewohnheiten beantworteten die Teilnehmer eine bereits in anderen Studien eingesetzte Liste von 12 Aufgaben, in denen eine individuelle Dosierung berechnet werden musste. Beispielsweise lautete eine Aufgabe: „Wie viel Milligramm per Milliliter (mg/mL) Bupivacaine enthält eine 20 mL Ampulle mit 0.25% Bupivacaine?“. Zudem waren die Befragten aufgefordert anzugeben, welche Test-Ergebnisse sie für sich selber erwarten und welche Ergebnisse sie für ihre Kollegen als „adäquat“ erachten. Die Befragung fand unangekündigt in Mitarbeiterbesprechungen statt. Ein Taschenrechner durfte benutzt werden. Von den 141 Teilnehmern gaben 80% an, ihre Fähigkeiten zur Dosis-Berechnung wären niemals geprüft worden. 83% berichteten, sie würden in ihrer Tätigkeit mindestens einmal wöchentlich eine Dosierung berechnen. Durchschnittlich gaben die befragten Ärzte in 72.5% der Fragen die korrekte Antwort. Dies entspricht etwa 9 richtigen von 12 Test-Fragen. Die Befragten lagen mit ihrer Erwartung von durchschnittlich 74.7% richtigen Antworten sehr nahe an diesem Ergebnis, konnten ihre eigenen Fähigkeiten also recht gut einschätzen. Ärzte, die einen Dosierungsfehler in der Vergangenheit berichteten, schnitten bei den Testfragen signifikant besser ab, als solche, die angaben, noch nie einen Dosierungsfehler gemacht zu haben (91% vs. 63% korrekte Antworten). Teilnehmer, die in ihrer Tätigkeit sehr häufig Dosierungen berechnen müssen, solche mit längerer Erfahrung in der klinischen Tätigkeit, und solche, die in „critical care“ Disziplinen tätig sind (Intensivmedizin, Anästhesie, Notfallmedizin), schnitten signifikant besser bei den Testfragen ab. Im Gegensatz zu den Erwartungen an die eigenen Fähigkeiten lag die Einschätzung der Fähigkeit der Kollegen jedoch deutlich über den tatsächlichen Leistungen. Im Durchschnitt vermuteten die befragten Ärzte einen Anteil von 92% richtig gelöster Aufgaben bei ihren Kollegen (11 von 12 richtigen Lösungen), also fast 20% höher als die erzielten Ergebnisse und als die (nahezu richtige) Einschätzung der eigenen Fähigkeit. Unabhängig vom Fachgebiet und klinischen Erfahrungen waren die Leistungen signifikant besser bei Aufgaben, in denen Wirkstoffkonzentrationen als mg/mL angegeben waren (83% richtige Antworten) gegenüber der Angabe als Prozentsatz (63% richtig) oder der Angabe als Quotient oder Rate (70% richtig). Die Studie zeigt, dass die befragten Ärzte realistische Erwartungen an ihre eigenen Fähigkeiten in der Dosis-Berechnung haben, die ihrer Kollegen aber weit überschätzten. Besonders Ärzte mit kürzerer klinischer Erfahrung sollten in diesen Fähigkeiten unterstützt werden, zum Beispiel durch regelmässiges Training. Zudem sollten alle systemischen Möglichkeiten genutzt werden, fehleranfällige Berechnungen zwischen verschiedenen metrischen Systemen überflüssig zu machen, z.B. durch Standardisierungen.
PD Dr. D. Schwappach, MPH
Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit
Link zum Abstract: http://www.mja.com.au/public/issues/190_03_020209/sim10260_fm.html
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