Paper of the Month #3 |
24.03.2010 |
Stiftung für Patientensicherheit, Schweiz: "Kosten und gesundheitliche Konsequenzen medizinischer Fehler bei chirurgischen Patienten"WE Encinosa and FJ Hellinger: The Impact of Medical Errors on Ninety-Day Costs and Outcomes: An Examination of Surgical Patients Health Services Research, in press [Epub ahead of print] (2008) Thema: Kosten und gesundheitliche Konsequenzen medizinischer Fehler bei chirurgischen PatientenEncinosa und Hellinger untersuchen die ökonomischen und gesundheitlichen Konsequenzen von medizinischen Fehlern innert 3 Monaten nach der Index-Hospitalisation in einem Kollektiv von 161.000 chirurgischen Patienten. Es wurden administrative Daten verwendet, um mit der "patient safety indicators" (PSI) Methodik der AHRQ 14 potentiell vermeidbare unerwünschte Ereignisse ("Fehler") zu identifizieren. Kosten und gesundheitliche Konsequenzen innerhalb 90 Tagen wurden analysiert und berechnet, wobei Leistungen sowohl der stationären (z.B. verlängerter Aufenthalt, Wiederaufnahme) als auch der ambulanten Versorgung (z.B. Arzneimittel, ambulanter Arztbesuch) berücksichtigt werden konnten. Um sicher "Exzess"-Konsequenzen zu identifizieren, also solche Kosten und gesundheitlichen Folgen, die tatsächlich auf das unerwünschte Ereignis zurückzuführen sind, wurde eine umfangreiche Risikoadjustierung durch das "matchen" von Patienten mit und ohne Ereignis vorgenommen. Dabei werden Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne Ereignis ausgeglichen, die Auswirkungen auf Kosten und Konsequenzen haben können, die aber selber nicht auf das Ereignis zurückzuführen sind (z.B. vorbestehende Erkrankungen). Bei 2,6% der eingeschlossenen Operationen wurde mindestens eines der 14 potentiell vermeidbaren unerwünschten Ereignisse identifiziert. Sowohl die ökonomischen als auch die gesundheitlichen "Exzess"-Konsequenzen waren enorm. Ohne Adjustierung betrugen die Kosten für eine Operation ohne Zwischenfall durchschnittlich 18.284 US$ und mit einem Zwischenfall 66.879 US$. Nach Ausgleich aller irrelevanten Faktoren hatten Patienten mit einer potentiell vermeidbaren Infektion ein etwa doppelt so hohes Risiko innert 90 Tagen im Spital zu versterben im Vergleich zu Patienten ohne eine solche Infektion. Die "Exzess"- Sterberate betrug für Patienten mit einer potentiell vermeidbaren Infektion 3,7%, mit einem potentiell vermeidbaren akuten Lungenversagen 6,7%. Dies heisst, dass von 100 Patienten nach einem grösseren chirurgischen Eingriff 3 versterben wenn es zu keinem Lungenversagen kommt, hingegen versterben 10 wenn dieses Ereignis eintritt. Die "Exzess"-Kosten rangieren zwischen 646 US$ für Fälle mit technischen Problemen (z.B. Pneumothorax) bis zu 19.480 US$ bei Infektionen und 28.218 US$ für Operationen mit akutem Lungenversagen. Dies heisst, dass die Behandlungskosten beim Eintreten einer Infektion um knapp 20.000 US$ steigen, und sich damit nahezu verdoppeln. Betrachtet über alle PSI-Ereignisse entstanden bis zu 28% aller "Exzess"-Kosten nach der Entlassung aus der Index-Hospitalisation. Insgesamt waren etwa 11% aller Todesfälle, 2% aller Wiederaufnahmen und 2% aller Kosten innert 90 Tagen auf potentiell vermeidbare unerwünschte Ereignisse zurückzuführen. Encinosa und Hellinger füllen eine wichtige Lücke, in dem sie nicht nur gesundheitliche Konsequenzen und Kosten während der Hospitalisation berücksichtigen, sondern den Beobachtungszeitraum auf 90 Tage ausdehnen. Deutlich wird, dass gerade bei den nosokomialen Infektionen ein erheblicher Anteil der entstehenden "Exzess"-Kosten erst nach der Entlassung entsteht. Eine Limitation der Studie liegt darin, dass die PSI-Indikatoren nicht alle Zwischenfälle treffsicher erfassen. So werden beispielsweise durch die eingesetzten 14 Indikatoren keine Medikationsfehler berücksichtigt. Gleichzeitig kann es zu einer Überschätzung der Konsequenzen von Zwischenfällen kommen, wenn die PSI-Indikatoren Zwischenfälle fälschlicherweise kausal der Versorgung zuschreiben. Die Studie leistet insgesamt einen wichtigen und methodisch anspruchsvollen Beitrag zur Einschätzung der gesundheitlichen und ökonomischen Folgen potentiell vermeidbarer unerwünschter Ereignisse. Sie liefert damit einen wichtigen Beleg dafür, dass die Verhinderung unerwünschter Ereignisse und die Investition in wirksame Massnahmen der Patientensicherheit medizinisch und ökonomisch in hohem Masse sinnvoll sind. PD Dr. D. Schwappach, MPH Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Patientensicherheit Link zum Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18662169 "Paper of the Month" Mit dem "Paper of the Month" möchte die Stiftung für Patientensicherheit eine interessante Dienstleistung für diejenigen Personen erbringen, die einerseits bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen up-to-date sein möchten, andererseits nicht über die Ressourcen verfügen, das gesamte Feld zu beobachten. Die Stiftung für Patientensicherheit stellt etwa alle vier Wochen eine aktuelle wissenschaftliche Studie zur Patientensicherheit und ihre Kernergebnisse vor. Sie wählt dafür internationale Studien aus, die einerseits eine hohe Qualität aufweisen und die sie andererseits subjektiv als wichtig beurteilt, zum Beispiel aufgrund einer wichtigen Fragestellung oder einer innovativen Methodik. |