Fachkommentar zu Fall des Monats 01/2014 KH-CIRS-Netz Deutschland |
23.12.2013 |
Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland: Fall des Monats „Januar 2014“: „Wendl-Tubus rutscht in Trachea" Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI) Download Fachkommentar Fall-Nr. 103540 (PDF) Autoren: Dr. med. M. St.Pierre, DEAA, Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen
Der Melder berichtet von einem kritischen Zwischenfall, bei dem ein „künstlicher Atemweg” (Wendl-Tubus) von einem Patienten unbemerkt aspiriert wird und zu Atemnot führt. Durch das rasche Handeln der zuständigen Pflegekraft und des Arztes kann die Ursache der Dyspnoe erkannt werden, bevor der Patient dauerhaft Schaden nimmt. Dass der kritische Zwischenfall ohne schweren Schaden bewältigt werden konnte, ist keineswegs selbstverständlich: eine Obstruktion der oberen Atemwege durch den aspirierten Tubus hätte sich auch rasch zu einer vitalen Bedrohung entwickeln können. Der im Fallbericht verwendete Wendl-Tubus (1958 von Johann Wendl vorgestellt) gehört in die Gruppe der nasopharyngealen Tuben, welche der Sicherung der oberen Atemwege dienen und über die Nase eingeführt mit der Spitze im Rachen zum Liegen kommen. Sie verhindern damit eine Komplettverlegung der Atemwege durch einen zurückfallenden Zungengrund (was bei Bewusstlosigkeit oder Restwirkung von Sedativa und Hypnotika leicht geschehen kann) und schaffen so eine freie Passage von Luft aus der Umgebungsluft in die Trachea. Eine Aspiration kann durch den Wendl-Tubus nicht verhindert werden, weil sein distales Ende oberhalb der Glottis zu liegen kommt.
Eine vergleichbare Funktion erfüllt der Guedel-Tubus, (benannt nach dem amerikanischen Anästhesisten Arthur Guedel; 1883-1956) welcher allerdings über den Mund eingeführt wird und dadurch bei nur leichter Bewusstlosigkeit schnell einen Würgereiz auslösen kann. Somit liegt die Indikation für den Guedeltubus vor allem in der Atemwegssicherung bei nur geringfügig eingetrübten Patienten. Ein weiterer Vorteil des Guedel-Tubus liegt in der Tatsache, dass die Nase die einzige Körperöffnung ist, die nicht aktiv verschlossen werden kann, und der Tubus somit bei jedem Patienten mit unauffälliger Nasopharyngealanatomie eingeführt werden kann. Die Meldung ist insofern „klassisch” für einen kritischen Zwischenfall, als einerseits eine Reihe an Faktoren zeitgleich wirksam werden und in einer Bedrohung des Patienten resultieren, andererseits aber auch häufig ein Quäntchen Glück dazu beiträgt, dass im richtigen Moment das richtige gedacht und gehandelt wird. Dies zumindest scheint auch die Einschätzung des Melders zu sein („glücklicherweise entschied sich …”). Der Melder analysiert seinen Bericht bereits hinsichtlich der beitragenden Faktoren:
Literatur:
Bein B, Renner J (2012) Einlage eines Wendl-Tubus postextubationem führt zu einer akuten Atemwegsverlegung. In: Meybohm P, St.Pierre M, Heinrichs W, Bein B. (Hrsg.) Fehler und Irrtümer in der Anästhesie. Thieme Stuttgart
Hinweis der Redaktion:
Bei vermuteten Defekten von Medizinprodukten besteht eine Berichtspflicht an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM) nach §3 der MPSV (Medizinproduktesicherheitverordnung - http://www.gesetze-im-internet.de/mpsv/__3.html). Siehe auch BfARM unter http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/vigilanz/vigilanz-node.html bzw. Formulare unter http://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/form/formmp-node.html.
Das KH-CIRS-Netz Deutschland kann nicht an das BfARM berichten und ein CIRS-Bericht an das KH-CIRS-Netz Deutschland entbindet Sie nicht von Ihren Berichtspflichten gemäß MPSV. Im Übrigen empfehlen wir bei Problemen mit Medizinprodukten außer der Meldung ans BfARM auch den Kontakt mit dem Hersteller aufzunehmen.
|