Fachkommentar zu Fall Nr. 222373 KH-CIRS-Netz Deutschland |
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09.08.2021 |
KH-CIRS-Netz Deutschland: Fall Nr. 222373: „Fehlender Abgleich - Verträglichkeitsbefunde passen nicht zu den gekreuzten Konserven“
Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI)
Download Fachkommentar Fall-Nr. 222373 (PDF)
Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI)
Problemanalyse
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Warum die externe Blutbank den falschen Befund geliefert hat, bleibt in diesem Fallbericht unklar. Wie ist die Anforderung erfolgt? Per Telefon? Wurden die Patientendaten zweifelsfrei übermittelt? Gibt es eine SOP zur Übergabe der Patienteninformation an wichtigen Schnittstellen [1]? Bei Verwendung eines schriftlichen oder besser elektronischen Anforderungsformulars wäre der Fehler vermutlich zu vermeiden gewesen. Besser wäre noch ein scannerbasiertes System zur Begleitung des Transfusionsprozesses von der Blutabnahme bis hin zur Verabreichung der Konserve [2, 3]. Wie ist die IT-Ausstattung? Gibt es PCs im OP und die Möglichkeit von dort über das KIS die Blutbank zu beauftragen?
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Bei starken Blutungen intraoperativ EKs nachzufordern, ist eine Vorsichtsmaßnahme, die sich nicht immer intraoperativ, manchmal auch postoperativ bewährt. Vor allem bei schwieriger Logistik wie bei einem externen Blutdepot und/oder Personalmangel müssen lange Wartezeiten antizipiert werden. Trotzdem sollen nicht mehr Konserven verfallen oder gar liberal transfundiert werden. Oftmals werden Sattelitendepots benutzt, aber damit ist ein hoher Aufwand verbunden: Der Verantwortliche muss die Annahme und Abgabe von Konserven täglich kontrollieren, damit Patienten nicht ohne Konserven verlegt bzw. Konserven vergessen werden. Das erscheint in dieser Einrichtung, in der es an Personal und Standards zu mangeln scheint, keine gute Lösung zu sein. Ist überhaupt ein Zuständiger mit Vertretung benannt? Entspricht das externe Blutdepot den Vorschriften gemäß RiLi Hämotherapie 2017 [4]?
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Die Konserven wurden gekreuzt, aber nicht gebraucht. Wäre es vielleicht nicht ressourcenschonender, bei einem negativen Antikörpersuchtest (AKS) Konserven der gleichen Blutgruppe zu reservieren und erst dann zu kreuzen, wenn sie abgerufen werden? Dies könnte den Bereitstellungsprozess und die Ressourcen im Labor verbessern.
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Werden die Risiken der „ungekreuzten Transfusion” vom Meldenden richtig eingeschätzt? Wohl sollte bei elektiver Transfusionsindikation blutgruppengleich transfundiert werden. Die Einkreuzung der Konserven dauert einen tolerablen Wartezeitraum von 20-40 Minuten, die bei nicht dringlicher Indikation gewartet werden kann. Auch wenn aber eine dringliche oder Notfall-Indikation bei negativem AKS vorliegt, ist die ungekreuzte Verabreichung tolerabel und nicht mit nennenswert erhöhten Risiko für eine Transfusionsreaktion verbunden.
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Sind Pflegekräfte und das Transportpersonal für die Transport- und Lagerbesonderheiten von Blutkonserven speziell eingewiesen? Es empfiehlt sich den besonderen Anforderungen der Behandlung und des Umgangs mit diesen wertvollen Produkten wie zum Beispiel in der RiLi Hämotherapie der BÄK von 2017 [4] zu entsprechen. Dafür eignet sich das Qualitätshandbuch Transfusionsmedizin/Hämotherapie.
Prozessqualität
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SOP/VA: Aufgaben und Pflichten der zuständigen Personen für das externe Blutdepot
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SOP/VA und Fortbildung – Ärzte und Pflege: Das SBAR-Konzept
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SOP/VA und Fortbildung – Ärzte: Restriktive und ressourcenschonende Verabreichung von Blutkonserven unter der besonderen Beachtung der logistisch-erschwerten Bedingungen einer externen Blutbank und eines externen immunhämatologischen Labors
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SOP/VA – Ärzte und Labor: Praxis des Reservierens bei negativem AKS Meldung an die Transfusionskommission
Strukturqualität
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Einführung eines elektronischen Softwareprogramms zur Anforderung der Blutkonserven, Vernetzung des KIS mit der Blutbanksoftware
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Überprüfung auf Personalmangel
Literatur
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[1] Das SBAR-Übergabeprotokoll im perioperativen Umfeld https://www.bda.de/files/Februar_2016_-_Strukturierte_Patientenbergabe_in_der_perioperativen_Phase_-_Das_SBAR-Konzept.pdf
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[2] Marconi M, Langeberg AF, Sirchia G, Sandler SG. Improving transfusion safety by electronic identification of patients, blood samples, and blood units. Immunohematology. 2000;16(2):82-85.
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[3] Hans-Hirscheld-Device - CAIRO 4.0 System Schmidt-Hieber M, Schuster R, Nogai A, Thiel E, Hopfenmüller W, Notter M. Error management of emergency transfusions: a surveillance system to detect safety risks in day to day practice. Transfus Apher Sci. 2006;35(2):125-130. doi:10.1016/j.transci.2006.06.001.
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[4] RICHTLINIE HÄMOTHERAPIE DER BUNDESÄRZTEKAMMER 2017 https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MuE/Richtlinie_Haemotherapie_E_A_2019.pdf
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