Fachkommentar zu Fall des Monats 7/2022 KH-CIRS-Netz Deutschland |
01.07.2022 |
Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland: Fall des Monats „Juli 2022“: „Fehlende Identitätssicherung“ Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) Problemanalyse Vermutlich wurde durch den Arzt in der Aufnahmeeinheit Blut beim falschen Patienten abgenommen. Der Arzt kann nach telefonischer Rückfrage angeben, dass er sich geirrt hat. Es erscheint deshalb unwahrscheinlich, dass für einen zweiten Patienten eine Blutgruppenbestimmung angefordert war und der Patient verwechselt wurde. Wahrscheinlicher ist, dass nur die Indikation bei einem anderen Patienten vorgelegen hat, aber die Anforderung, Probenetikettierung und Blutabnahme für den falschen Patienten erfolgt ist. Im Trubel eines hohen Patientenaufkommens oder bei den in der Meldung angegebenen Faktoren wie Müdigkeit oder Ablenkung scheint dem/r Arzt/Ärztin entgangen zu sein, dass die Kreuzprobenentnahme bei einer anderen Patientin indiziert war, nicht aber bei der Person, bei der wahrscheinlich für andere Zwecke gerade Blut abgenommen werden musste. Eventuell war aber nicht die Indikationsstellung alleine die Ursache des Fehlers, sondern auch, dass die Probenetikettierung nicht vor der Blutentnahme erfolgte. Selbst bei korrekter Ansprache und Identitätssicherung kann ein Fehler passieren – nämlich wenn dem Patienten nicht dazugesagt wird, wofür die Blutentnahme ist: Die Information „Zur Vorbereitung einer Bluttransfusion…” hätte hier bei einer jungen und wachen Patientin Aufmerksamkeit erzeugt! Die Besonderheiten der Identitätssicherung bei dementen und bewusstlosen oder ausländischen Patienten lagen hier nicht vor, sind aber eine gesonderte SOP/Verfahrensanweisung wert (siehe Vorlage der IAKH[1]). Ebenso sind elektronische Hilfsmittel zur Identifikation des korrekten Patienten, bei dem die Kreuzblutprobe abgenommen wurde sinnvoll [2, 3], aber in diesem Fall wirkungslos – selbst wenn die Blutkonserve nur in die Kanüle der Kreuzblutabnahme transfundiert werden kann [4]. Nur eine zusätzliche elektronische oder analoge Plausibilitätsprüfung der Indikation (Hämoglobinkonzentration – liegt tatsächlich eine zu behandelnde Anämie vor, Vernetzung des immunhämatologischen Labors mit der Blutbank bei Anforderung, etc.) hätte diesen Fehler vermieden (das sogenannt „Decision support System” [5, 6]), wenn im Labor die fehlende Indikation nicht aufgefallen wäre. Es entsteht die Frage, wie die Indikationsstellung für eine Blutkonserve und die Vorbereitung vom Arzt an die Pflege oder das Stationssekretariat kommuniziert worden war. Ist dem Team nicht aufgefallen, dass der Arzt die Indikation bei einer/m anderen Patienten/in gestellt hatte, nun aber bei der/m Falschen Blut abnimmt? Das Arbeiten im Team birgt Stärken und Schwächen – sowohl gegenseitige Kontrolle und Fehlervermeidung im Team als auch Fehler und Informationsverlust bei Schnittstellen (SBAR-Konzept [3]). Die Arbeitsbelastung und Teamstärke der Behandlungseinheit scheinen zur Müdigkeit und Unaufmerksamkeit des Arztes beigetragen zu haben. Diese Fehlerquelle sollte überprüft werden, da sie sonst auch zu anderweitigen Fehlern beitragen kann. Prozessqualität:
Strukturqualität:
Literatur:
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