Fachkommentar zu Fall Nr. 240602 KH-CIRS-Netz Deutschland |
02.11.2022 |
KH-CIRS-Netz Deutschland: Fall Nr. 240602: „Kein Abgleich der Patientendaten vor der Blutabnahme“ Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI) Download Fachkommentar Fall-Nr. 240602 (PDF) Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) Problemanalyse Hier handelt es sich um eine Blutentnahme zur „Kreuzprobe” [1], dem Verträglichkeitstest des Spenderserums mit den Erythrozyten der Konserve. Ob es sich um die Blutgruppenbestimmung, die Kreuzprobe oder eine andere laborchemische Untersuchung handelt, ist nebensächlich, da die Bestimmung eines Parameters potenziell eine therapeutische Maßnahme auslöst, die in Art und Dosis lediglich für den individuellen Patienten geeignet ist. Diese Meldung ist eine leider gut bekannte Fehlermeldung, die sich vermutlich viel häufiger wiederholt als wahrgenommen. Sie wird im englischen Fehlermeldungssystem der NIH, dem SHOT (Serious Hazards of Blood Transfusion[2]) „WBIT-Wrong Blood in Tube” genannt. Sie ist in Ihrer gravierenden Bedeutung für die fehlerhafte Zuordnung und Anwendung von Blutkomponenten bekannt und vom Arbeitskreis Blut des Gesundheitsministeriums in einem der aktuellen Voten [3] behandelt. Manchmal, wenn der Patient Glück hat, ist er bereits im Labor durch eine vorherige Blutgruppenbestimmung bekannt – dann fällt die Verwechslung auf und es wird nachgeforscht. In vielen Situationen, auch für die Bestimmung anderer Laborparameter tritt dieses Phänomen bis zu einer geschätzten Häufigkeit von 10% auf. Es entsteht meist auf Station oder in der Ambulanz, wenn in unbeschriftete Probengefäße abgenommen oder wie in diesem Fall eine Identitätssicherung nicht durchgeführt wird. Begünstigende Faktoren sind übereinstimmend zur Fehlermeldung meist Personalmangel, Notfallsituationen, Stress, minderwertige Arbeitsorganisation und mangelhafter Gebrauch von Standards (SOPs, Verfahrensanweisungen) und fehlendes Bewusstsein für die Folgen einer Blutkonservenverwechslung. Nur maximal ein Viertel der Verwechslungen im AB0 -System verursachen eine Transfusionsreaktion. Die Transfusion von der Konserve BG Null positiv auf die Patientenblutgruppe B Rh positiv hätte bei fehlenden weiteren Antikörpern keine große Transfusionsreaktion ergeben und wäre folgenlos bzw. unbemerkt geblieben. Bei einigen der Fälle (z.B. auf Stationen mit häufigen Transfusionen wie der Intensiv, Onkologie wie hier) sind auch andere Patienten betroffen, wenn nämlich zeitgleich 2 Blutgruppenbestimmungen bei verschiedenen Patienten notwendig sind und diese einfach vertauscht werden. Dann bekäme der zugehörige unbekannte Patient der Blutgruppe 0 eine Konserve mit B transfundiert und würde vermutlich an einer akuten hämolytischen Transfusionsreaktion versterben. Dieser Fehler wird als regelhaft, sich monatlich wiederholend beschrieben. Man braucht also nur wenige Jahre zu warten, bis der Fehler diese o.a. Katastrophe auslöst. Es gibt verschiedene Methoden, dies zu vermeiden. Bei der Vermeidung ist eine genaue Fehleranalyse im jeweiligen Fall zur Veranlassung von geeigneten Maßnahmen notwendig. Eine situative Analyse der Fehlerursachen könnte mittels M&M-Konferenz erfolgen. Meist finden sich mehrere Ursachen und einige begünstigende Faktoren. Es stehen dann Maßnahmen der zukünftigen Fehlervermeidung zur Verfügung, die auf technische wie prozedurale Methoden basieren. Das von einigen Einrichtungen bereits in Erprobung (zum Beispiel Charité Berlin) befindliche System verhindert die Blutprobenverwechslung bei Notfallaufnahmen durch ein an der Verweilkanüle befestigtes Probengefäß mit eindeutiger Zuordnung zur Kanüle bei Abtrennung und Versand ins Labor (Siehe CAIROS 4.0 [4]). Ein unspezifisches Angebot von weiteren Maßnahmen zur Fehlerkontrolle haben wir aus der Erfahrung anderer Meldungen wie untenstehend zusammengestellt. Prozessqualität
Strukturqualität
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