Fachkommentar zu Fall Nr. 247840 KH-CIRS-Netz Deutschland |
24.05.2023 |
KH-CIRS-Netz Deutschland: Fall Nr. 247840: „Falsches Geburtsdatum auf Konservenbegleitschein“ Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI) Download Fachkommentar Fall-Nr. 247840 (PDF) Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) Problemanalyse In diesem Fall war ein falsches Geburtsdatum vom Blutprobenröhrchen in die Software des Labors durch das Personal in der Blutbank/dem Immunhämatologischem Labor offensichtlich manuell eingegeben worden und dann später auch auf den Blutgruppenbefund und den Konservenbegleitschein ausgegeben worden. Manuelle Fehleingaben und Tippfehler sind oftmals weniger eine Frage der Ausbildung, der persönlichen Faktoren wie Müdigkeit und Arbeitsüberlastung, sondern sind in kritischen Bereichen besser als Scannersystem oder elektronische Computerlösung zu gestalten [1]. Ein italienisches System berichtete die Detektion von Identifikationsfehler alle 40 Tage bzw. eine Reduktion der Fehlerrate um 83% [2], amerikanische Systeme verbesserte Patientensicherheit und Dokumentationsqualität [3, 4]. Wodurch der Fehler in dieser Meldung zustande kam, kann nicht erschlossen werden. Leider kommunizieren die meisten Softwaresysteme des Immunhämatologischen Labors bzw. der angeschlossenen Blutbank nicht mit dem Krankenhaus-Software-System KIS. Daher ist es auch im Zeitalter der Krankenhausdigitalisierung immer noch in vielen Häusern üblich, dass bei neuen Patienten die Röhrchen nicht abgescannt und über eine eineindeutige Patienten-ID in die Software des Labors eingelesen werden können, sondern der Datensatz neu manuell angelegt werden muss. Die Eingabe muss in diesen Häusern zwingend im 4-Augenprinzip mit einer Gegenprobe aus dem KIS oder der Aufnahmenummer kontrolliert werden. Das Geburtsdatum wurde in dem berichteten Fall falsch eingegeben. In vielen Laboren wird diese Arbeit von Studenten, Schreibkräften oder weiterem Assistenzpersonal erledigt. Der Fehler hat zu Nachfragen und Verzögerung der Blutversorgung geführt, ebenso zu erhöhtem Material/Zeitaufwand für Recherche und Fehlerbeseitigung. Der Fehler kann aber bei unentdeckt bleiben zu letalen Fehltransfusionen führen. Die Suche nach einem bekannten Fall über den Namen der Patientin oder des Patienten ist nicht die anzuratende Vorgehensweise. Gerade bei häufigen Namen und unserer natürlichen Tendenz zum Musterabgleich steigt das Risiko einen namensgleichen oder -ähnlichen Falldatensatz auszuwählen. Wenn dann bei der Übernahme die Fehlzuordnung nicht auffällt nimmt die Fehlerkaskade ihren Lauf. Besser (aber nicht perfekt) ist die primäre Suche über das Geburtsdatum und die Auswahl des richtigen Datensatzes nach Filterung. Eine solche SOP wäre in diesem Labor hilfreich. Die Kommunikation von verschiedenen Systemen ist ein elektronisches Schnittstellenproblem, das äußerst gefährlich für die Patientensicherheit ist. Oftmals sind die Schnittstellen, wenn überhaupt erhältlich, kostenpflichtig und werden vom Träger nicht eingekauft. Ist das Labor ausgelagert oder in anderer Trägerschaft, stellt der Datenschutz einen Hinderungsgrund für die technische Kommunikation der beiden Systeme dar. Es gibt wenige Software-Systeme, die mit einigen der KIS-Systeme der zu versorgenden Einrichtungen kommunizieren. Sie sind der Schlüssel zu einer qualitativ besseren und sicheren Patientenversorgung. Leider wird die Software mangels Vorgaben der Politik nicht an diesen Kriterien, sondern nach den Nutzergesichtspunkten (Preis, IT-Einbindung und Vorlieben, Eignung für den Teilbereich des Labors oder der Blutdepotverwaltung, etc.) von Personen ausgesucht, die die Patientensicherheit nicht in vorrangiger Priorität im Auge haben oder überhaupt keine Prozesskenntnisse besitzen. In dieser Einrichtung (wie in derzeit noch vielen anderen) wird die Chance vertan, nicht nur die Patientenversorgung sicherer zu machen [5], sondern auch die Kosten der Fehlerbehebung oder der unangemessenen Blutprodukteanwendungen (könnte durch ein Clinical Decision Support [6] beispielsweise beseitigt werden) zu sparen, den Reputationsschaden bei pressewirksamen Transfusionsschäden zu vermeiden sowie Personal- und Mitarbeitergesundheit zu fördern. Wie der/die Meldende ausführt, sind solche Probleme verunsichernd und fördern Stress und Unzufriedenheit. Das können sich in Zeiten der Personalknappheit auf Dauer nur wenige Häuser leisten. Prozessqualität
Strukturqualität
Literatur
Häufig verwendete Abkürzungen: ÄD Ärztliche/r Direktor/in GF Geschäftsführer/in IT Informationstechnik/er KIS Krankenhausinformatinssystem M&M Konferenz zu Morbidität und Mortalität SOP Standard Operating Procedure TV Transfusionsverantwortliche/r |