Fachkommentar zu Fall des Monats 8/2024 KH-CIRS-Netz Deutschland |
08.08.2024 |
Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland: Fall des Monats „August 2024": „Zuordnung bei nicht bekannter Blutgruppe auf universalverträgliche Produkte“ Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) Problemanalyse Hier wurde vom Laborpersonal anscheinend manuell eine Fehlzuordnung vorgenommen und auch das potenziell inkompatible Produkt ausgegeben. Ausgabefehler des qualifizierten Laborpersonals sind selten und auch nur dann möglich, wenn bei der Software des Labors (LIS) keine Plausibilitätsprüfung bei der Ausgabenerfassung hinsichtlich Kompatibilität hinterlegt ist. Auch die Produktzuordnung erfolgt normalerweise über die Labor-EDV und das hätte sofort eine Fehlermeldung geben müssen. Eventuell war die Zuordnung in der Ausgabesoftware nicht korrekt eingestellt. Bei der beteiligten Mitarbeiterin - in diesem Fall - handelt es sich um eine Medizinische Technologin für Laboratoriumsanalytik (MTLA), eine ausgebildete, eigenverantwortlich, qualifizierte Laborfachkraft. Als medizinisches Fachpersonal im Labor umfasst ihr Aufgabenfeld die eigenverantwortliche Mitarbeit bei der humanmedizinischen Diagnostik und Kontrolle während des Behandlungsverlaufs. Die Kompatibilität der Blutgruppen ist transfusionsmedizinisches Basiswissen (RiLi Hämotherapie [2]). Beim zu behandelnden Patienten war die Blutgruppe nicht eindeutig zu bestimmen. Der Nachweis der AB0-Antigene wird durch den Nachweis der antigenkonträren Isoagglutinine (Serumgegenprobe - Plasma des Patienten gegen Testerythrozyten bekannter Blutgruppe A1, A2, B und 0) vervollständigt [2]. Die Titer, also die Antikörperkonzentration, der Isoagglutinine unterliegt großen interindividuellen Schwankungen [1], wobei bei Anti-A-Isoagglutininen im Allgemeinen höhere Titer nachweisbar sind als bei Anti-B-Isoagglutininen. Deshalb ist diese Konstellation der schwer bestimmbaren Blutgruppe in der Serumgegenprobe mit uneindeutigem Nachweis der Isoagglutinine nicht selten. Die A2 Zelle ist nach der Richtlinienrevision 2017 [2] nicht mehr gefordert. Alte Menschen oder Neugeborene fallen manchmal durch nicht mehr nachweisbare Isoagglutinine auf. Kontaminierte Proben erfordern neues Probenmaterial. Diese Situationen erfordern dann weitere Testansätze mit anderen Klonen von Testerys, die Wiederholung bei 4 °C oder gegebenenfalls per PCR. In diesem Fall ist der Eintrag einer Blutgruppe als „nicht bestimmbar” korrekt erfolgt; die Versorgung kann mit EK der Blutgruppe (BG) 0 und therapeutischen Plasmapräparaten (TP) AB erfolgen. Im Notfall bzw. im Regelfall, wenn die Blutgruppe nicht eindeutig geklärt werden kann, sind universal verträgliche Blutprodukte, in unserem Fall AB-Plasmen die korrekte Versorgung. Wenn in der EDV „BG nicht bestimmbar” aus- oder in die EDV eingegeben wird, muss bei der Produkt-Ausgabe der Algorithmus greifen, dass nur EK BG 0 und FFP BG AB ausgegeben werden dürfen. Bei anderen BG muss eine Fehlermeldung von der EDV generiert werden, die i.d.R. bei so einer Konstellation auch nicht übersteuert werden kann. Die Ausgabe von unpassenden therapeutischen Plasmen ist sicherlich ein unbeabsichtigtes Versehen gewesen, aber eines das nicht passieren darf. Deshalb gibt es immer das sogenannte 4-Augen-Prinzip, das nicht nur die korrekte Chargennummer und Zuordnung zum korrekten Patienten kontrolliert, sondern auch nochmalig die Kompatibilität überprüft. Zusätzlich ist eigentlich heutiger Technikstand der Laborausstattung, dass die EDV, die eine Fehler- oder Warnmeldung zu geben hat, für die Sicherheit im Prozess der Zuordnung sorgt. Die EDV-kontrollierte Ausgabe ist in diesem Fall fehlerhaft oder übergangen worden. In Deutschland ist eigentlich die blutgruppengleiche Versorgung bei allen Produkten üblich und einfach zu merken. Da aber in diesem Fall aus nicht erklärlichen Gründen die korrekte Versorgung in diesem Fall mit Universalkonserven also EKs der Blutgruppe 0 und Plasma AB nicht gewählt wurde, liegt am ehestens ein begleitender Fehler durch menschliches Versagen vor. Die begünstigenden Faktoren in diesem Fall (in der Meldung angeführt) sind leider in vielen Bereichen im Gesundheitswesen heutzutage anzutreffen. Eine enge Supervision, guter Teamgeist und eine flache Hierarchie sind Elemente, mit denen schwer änderbare Zustände wie Personalmangel und Arbeitsverdichtung etwas abgefedert werden können. Trotzdem sollte in diesem Fall eine freundlich-lösungsorientierte Besprechung zur Entwicklung künftiger Vermeidungsstragegien solcher Situationen erfolgen. Die Anforderung von 2 FFP ist fast immer nicht dazu geeignet, indikationsgemäß ein wesentliches Gerinnungsdefizit zu beheben. Aufgrund der geringen Konzentration der in physiologischer Lösung vorliegenden Gerinnungsfaktoren, müssten für wesentliche Gerinnungsstörungen laut Querschnittsleitlinien Hämotherapie [3] hohe Volumina bis zu 50ml/kg zur Normalisierung angewandt werden. Die 500ml (von 2 Einheiten therapeutischem Plasma) sind beim 80kg schweren Erwachsenen geeignet die Gerinnungswerte um lediglich 6% anzuheben, was in den meisten Fällen unterdosiert ist. Als Volumenersatz ist therapeutisches Plasma nur in der Massivtransfusion zugelassen, aber auch dann in extrem hoher Dosierung. Die Kommunikation mit dem anfordernden Arzt ist in diesem Fall nicht erwähnt und eventuell nicht optimal gelöst. Eine enge und gute Kommunikation mit dem immunhämatologischen Labor ist in dieser Einrichtung möglicherweise nicht so zufriedenstellend etabliert. Prozessqualität
Häufig verwendete Abkürzungen |