Fachkommentar zu Fall Nr. 260687 KH-CIRS-Netz Deutschland |
20.11.2024 |
KH-CIRS-Netz Deutschland: Fall Nr. 260687: „Verzögerung der Transfusion“ Fachkommentar des Fachbeirats CIRSmedical.de (BDA/DGAI) Download Fachkommentar Fall-Nr. 260687 (PDF) Autor: Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für klinische Hämotherapie (IAKH) in Vertretung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) und der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) Problemanalyse Die Verzögerung der Transfusion ist ein Fehler, der den Patienten eindeutig schädigen kann. Der aktuelle SHOT Report berichtet einen starken Anstieg der Fehler, die zu einer Verzögerung der Versorgung mit Blut führen, bei gestiegenen Todesfolgen (Abb.1, siehe Anhang) [1]. Die Ursachenanalyse aus UK wird auch für Deutschland im Wesentlichen zutreffend sein: Alleine ein Drittel ist durch Kommunikationsfehler, ein weiteres Drittel durch technische oder logistische Ursachen bedingt (Abb.2, siehe Anhang) [1]. Die meisten aber sind multifaktoriell. Interessant ist das davon abgeleitete Lernpotenzial, das auch für unseren Fall von Relevanz sein kann: Dringliche Transfusionen und Personalmangel sollen entweder zur Verlegung des Patienten oder zur Personalakquise führen (siehe Zitat: „Urgent transfusions should not be delayed by lack of staff. The need should be escalated to acquire competent staff, or the patient transferred to a location where transfusion can be safely administered”). Die hier beteiligte ärztliche Person oder Pflege-Person war aufgrund persönlicher Gründe unkonzentriert und hat die Blutbestellung oder deren Sicherstellung vergessen. Diese sehr menschlichen Faktoren sind zwar sehr individuell, aber auch durch die Arbeitsumstände mit bedingt. Die korrekte Indikationsstellung zur Bluttransfusion ist entweder dringlich wegen ischämischer Symptomatik oder ist vorbeugend und zur Risikominimierung wegen beispielsweise eines zu niedrigen Oxygenierungslevels (gemessen am Hämoglobinspiegel). Die in Deutschland übliche vorbeugende Blutproduktebereitstellung schafft diesbezüglich einen Puffer. Allerdings verwässert diese Maßnahme auch die erfassbaren Gründe zur Transfusion. Die generellen und individuellen Elemente der Indikationsstellung in den Querschnittsleitlinien Hämotherapie der Bundesärztekammer [2] ist komplex, erlaubt aber gestützt durch eine Vielzahl der internationalen Empfehlungen und Leitlinien eine restriktive Strategie mit wenigen Ausnahmen [beispielsweise für Erythrozytenkonzentrate (EKs) [3]). Diese abwartende Haltung führt dazu, dass die Häufigkeit der dringenden Transfusion zunimmt, d.h. dass zum Beispiel nicht mehr bei einer unteren Hämoglobingrenze sondern erst bei Ischämiesymptomen die Versorgung mit Blutprodukten in Angriff genommen wird. Das ist zwar grundsätzlich in Ordnung, setzt aber die Kenntnis der Logistik und eine enge Kommunikation mit der Depotleitung voraus. In Anbetracht der immer wieder auftretenden menschlichen Schwächen werden mit einer verständlichen Berechtigung technische Unterstützungssystem immer mehr gefordert und auch eingesetzt. Anwendbar wären in dem berichteten Fall der Blutversorgung für einen geplanten operativen Eingriff eine Software-gestützte, elektronisch generierte Blutanforderung, basierend auf dem statistisch ermittelten Blutverlust in Relation zur errechneten Erythrozytenmasse des individuellen Patienten, die Notwendigkeit der Blutkonservenversorgung des geplanten Eingriffs. Die automatische Anforderung der Bereitstellung würde bei Anmeldung des Operationsplans im OP-Management oder beim Erstellen des chirurgischen Tagesplanes nach Erinnerung und Bestätigung des anfordernden Arztes terminiert sein. Somit könnten in Zukunft solche Versäumnisse vermieden werden. Entsprechende Systeme sind in einigen Häusern eingerichtet und funktionieren zuverlässig. Prozessqualität
Strukturqualität
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