Fall des Monats Februar 2011 |
09.03.2011 |
CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen
Patientenverwechslung während der Prämedikation Der Fall:Patientenverwechslung während der PrämedikationVersorgungsart:RoutinebetriebFallbeschreibung:
(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.) Was war besonders ungünstig?
Eigener Ratschlag (Take-Home-Message):
Häufigkeit des Ereignisses:seltenWer berichtete:Ärztin/ArztDie Analyse aus der Sicht des AnästhesistenBei der Prämedikation eines ausländischen Patienten, der laut Bericht relativ schlecht deutsch spricht, wird die falsche Patientenakte herangezogen. Die Prämedikation wird durchgeführt und das Ergebnis unter falschem Namen in das OP-Planungssystem des Hauses eingetragen. Der zuständige Chirurg bemerkt dies, der Fehler kann korrigiert werden, bevor ein Patient zu Schaden kommt. Entscheidend bei diesem Fall ist, dass die falschen Unterlagen zum Patienten zugeordnet wurden. Es ist eher weniger wichtig, ob sich verschiedene Patientenunterlagen im Untersuchungsraum befunden haben. In dieser Situation wäre es die Aufgabe des prämedizierenden Anästhesisten gewesen, besonders sorgfältig die Identität des Patienten zu sichern. Die Frage stellt sich auch, wie qualitativ die Voruntersuchung abgelaufen sein mag, wenn der Patient es nicht bemerkt hat, dass er mit dem falschen Namen angesprochen wurde. Die WHO hat zur Verbesserung der Sicherheit bei Operationen eine Surgical Safety Checklist [1] entwickelt. Diese Liste befasst sich zwar mit der Situation im OP; die erste Frage lautet jedoch: „Has the patient confirmed his/her identity, site, procedure and consent?“ Die Identifikation eines Patienten, zumal eines ausländischen Mitbürgers mit nur unzuverlässigen Deutschkenntnissen muss sicher noch sorgfältiger durchgeführt werden als dies bei einem muttersprachlich Deutschen der Fall wäre. Wenn man den Eindruck gewinnt, dass eine Verwechslung möglich wäre, so kann man sich auch ein geeignetes Ausweispapier des Patienten zeigen lassen. Der Autor hat dies selbst öfter getan und vorgegeben, er müsse sehen, wie man den Namen richtig schreibe. Die Analyse aus der Sicht des Anästhesisten
Dort, wo es nicht um die Unwägbarkeiten biologischen Geschehens geht, sondern um organisatorische Abläufe, die bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt beherrschbar sind, stellt die Rechtsprechung
strenge Anforderungen. Wäre der Patient tatsächlich verwechselt worden, so hätte die Rechtsprechung, ebenso wie in den Fällen der Seitenverwechslung, Entschuldigungen nicht gelten lassen. Der Jurist stolpert über folgende Hinweise in der Mitteilung: Es handelte sich um einen ausländischen Patienten, "der relativ schlecht Deutsch spricht", dann heißt es aber weiter: "Aufklärung und Einwilligung laufen zügig und problemlos ab." Da die Lebenserfahrung dafür spricht, dass derjenige, der eine Sprache schlecht spricht, sie auch schlecht versteht, soll der Fall aus juristischer Sicht zum Anlass genommen werden, auf die rechtlichen Probleme in der Kommunikation mit Patienten, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, hinzuweisen. Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 08.05.2008, VersR 2008, S. 1649 ff.) hat festgestellt, dass der Arzt sich "auch im Rahmen der Behandlungspflichten" - zu den Behandlungspflichten gehört auch die Identitätssicherung und die Anamneseerhebung - vergewissern muss, "dass der Patient in der Lage ist, die für eine ordnungsgemäße Behandlung erforderlichen Angaben zu machen, andernfalls die Behandlung ablehnen oder für eine Sprachmittlung sorgen muss." Erst recht gilt dies im Rahmen der Aufklärungspflichten. Hierzu das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Urteil vom 11.09.2000, VersR 2002, S. 192 ff.): Danach "ist wesentlich", ob der Patient "dem in deutscher Sprache geführten Aufklärungsgespräch folgen konnte". Ist dies nicht der Fall, "muss das Aufklärungsgespräch in einer dem Patienten verständlichen Sprache geführt oder in eine solche übersetzt werden". Allerdings gesteht das Kammergericht (a.a.O.) zu, dass ein "eine grundsätzliche Verpflichtung des aufklärenden Arztes, sich mit ausländischen Patienten immer nur per Sprachmittler zu verständigen", nicht besteht. Doch worauf muss der Arzt achten? In dem vom Kammergericht zu beurteilenden Fall hatte die betreffende Ärztin "aufgrund ihrer Erfahrung mit ausländischen Patienten, die sie durch ihre Tätigkeit im Krankenhaus …, in dessen Einzugsbereich viele Personen nicht-deutscher Herkunft wohnen, gewonnen hatte", darauf geachtet, "sich für den Patienten verständlich auszudrücken, dem Patienten zu erläutern, warum sie mit ihm spreche (Aufklärungsgespräch), nachzufragen, ob der Patient ihr sprachlich folgen könne und im Verneinensfall entweder eine zur Sprachmittlung bereite Begleitperson des Patienten oder einen der Sprache des Patienten mächtigen Krankenhausmitarbeiter zur Übersetzung heranzuziehen. Einen als Übersetzer tätigen Mitarbeiter habe sie immer unterschreiben lassen; falls keine Sprachmittlung möglich gewesen sei, habe sie keine Aufklärung durchgeführt, sondern den Patienten gebeten, mit Sprachmittler zurückzukommen, sofern der Eingriff nicht dringlich war." Das Fazit, so der Leitsatz des Kammergerichtes:
"Der aufklärungspflichtige Arzt hat - notfalls durch Beiziehung eines Sprachmittlers - sicherzustellen, dass der ausländische Patient der Aufklärung sprachlich folgen
kann." Dieser Sprachmittler muss, wie ausgeführt, nicht notwendigerweise ein "staatlich vereidigter Dolmetscher" sein. Sollte indes im konkreten Fall ein Dolmetscher tätig werden, so können, so das Bundessozialgericht (BSG) (Urteil vom 10.05.1995 NJW 1996, S. 806 ff, ), dessen Honorare nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Das BSG geht wohl davon aus, dass diese Kosten in die Fallpauschalen/DRG "eingepreist" sind. Ein Hinweis am Rande: Für "Aufklärungsfehler" durch den aufklärenden Arzt haften u. U. auch die Ärzte, die die Operation durchführen, bzw. bei der Operation einem Weiterbildungsassistenten assistieren, wenn die operierenden Ärzte wussten oder hätten wissen können, dass der Patient im konkreten Fall von ihrem Kollegen nicht hinreichend aufgeklärt wurde (s. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.03.1997, VersR 1998, S. 718 ff.). Weiterführende Literatur:
Autoren:Prof. Dr. med. W. Heinrichs, AQAI GmbH, MainzProf. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg Dr. iur. E. Biermann, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg Ass. iur. E. Weis, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg Dipl.-Sozialw. T. Dichtjar, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg Dr. M. St. Pierre, Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen |