CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen
Mangels Verfügbarkeit von Bettgittern kann sturzgefährdeter Patient nicht adäquat gelagert werden.
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Der Fall:
(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)
Mangels Verfügbarkeit von Bettgittern kann sturzgefährdeter Patient nicht adäquat gelagert werden.
Wo ist das Ereignis eingetreten?
Krankenhaus/ITS/IMC
Versorgungsart?
Routine
Patientenzustand:
Grundzustand mit erhöhter Sturzgefährdung, Dekubiti an beiden Sitzbeinen Grad 3
Tag des berichteten Ereignisses:
Wochenende/Feiertag
Wichtige Begleitumstände:
Erhöhte Sturzgefahr durch Grunderkrankung des Patienten.
Fallbeschreibung:
Der Patient kann nicht adäquat seitengelagert werden, da auf der ITS sowie im Bereich der
Normalstation kein freies Bettgitter zur Verfügung steht.
Eigener Ratschlag (Take-Home-Message)?
Fester eigener Bestand an Bettgittern auf der ITS
Häufigkeit des Ereignisses?
Mehrmals pro Jahr
Wer berichtet?
Pflegekraft
Berufserfahrung:
über 5 Jahre
Gemeinsame Analyse aus Sicht des Anästhesisten und Juristen
Im vorliegenden Fallbericht wird ein Mangelzustand geschildert, der zu Einschränkungen bei der adäquaten Lagerung führt, nicht jedoch einen direkten Patientenschaden (z.B. durch Sturz) bedingt. Aus der Meldung wird nicht eindeutig ersichtlich, ob es sich um eine sehr seltene Koinzidenz von Faktoren handelt, die zu dem akuten Mangel an Bettgittern geführt hat oder aber, ob es sich um einen Mangelzustand handelt, der regelhaft die adäquate Betreuung der Patienten einschränkt. In letzterem Falle ist der Betreiber der Intensivstation gehalten, die notwendigen Hilfsmittel in adäquater Zahl zur
Verfügung zu stellen. Etwaig notwendig werdende Handlungsaufforderungen an die Verwaltung sollten in jedem Fall schriftlich erfolgen, um im Schadensfalle die Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht nachweisen und etwaige Vorwürfe des Übernahmeverschuldens abweisen zu können.
Unabhängig von dem geschilderten Ereignis soll im Zusammenhang mit Bettgittern und sonstigen Fixierungsmaßnahmen noch darauf hingewiesen werden, dass
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Schäden durch Sturzereignisse in medizinischen Behandlungseinrichtungen zu Haftungsansprüchen führen können. Im entsprechenden Arzthaftungsverfahren – Zivilprozeß oder Verfahren vor den Gutachter- oder Schlichtungskommissionen, u. U. Strafprozess – wird dann geprüft, inwieweit das ärztliche oder pflegerische Personal die erforderliche Obhutspflicht im konkreten Fall gewahrt oder verletzt hat (1).
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auch Fixierungsmaßnahmen im Grundsatz der Einwilligung des betroffenen Patienten bedürfen.
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anders als bei therapeutischen/diagnostischen Eingriffen, bei denen die Einwilligungsfähigkeit des Patienten die Regel ist, der Patient bei Fixierungsmaßnahmen in aller Regel einwilligungsunfähig ist,
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kurzfristige (mechanische) Fixierungsmaßnahmen, die perioperativ als Bestandteil oder Annex der Behandlungsmaßnahme zum Schutz des Patienten vor Selbstgefährdung notwendig sind, auch ohne vorhergehende Aufklärung – in aller Regel handelt es sich dabei ja auch nicht um invasive Maßnahmen – von der Einwilligung des Patienten/des Vorsorgebevollmächtigten/des Betreuers in den Eingriff umfasst sind, (2)
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hingegen nicht nur kurzfristige Fixierungsmaßnahmen, wenn diese nicht nur dazu dienen, den Patienten vor unwillkürlichen Bewegungen und damit verbundenen Risiken zu schützen, sondern gezielt die Realisierung seines Fortbewegungswillens verhindern wollen und so einen selbstständigen Eingriff in die persönliche (Fortbewegungs-) Freiheit des Patienten darstellen, der (eventuell antizipierten) Einwilligung des Patienten, der des Bevollmächtigten/des Betreuers in die Fixierungsmaßnahmen bedürfen,
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und dass, wenn diese „Freiheitsentziehung“ über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig erfolgen soll, die Entscheidung des Bevollmächtigten/Betreuers – nicht die des Patienten! – zusätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichtes bedarf (§ 1906 Abs. 4 BGB), (2)
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Eilmaßnahmen („mutmaßliche Einwilligung“) davon unberührt bleiben. Soweit eine Genehmigung erforderlich wäre, ist sie unverzüglich nachzuholen,
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die Einwilligung durch einen Bevollmächtigten voraussetzt, dass die Vollmacht schriftlich erteilt und die genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst (§ 1906 Abs. 5 Satz 1 BGB).
Idealerweise sollte bereits bei der Prämedikation im Aufklärungsgespräch über mögliche Fixierungsmaßnahmen gesprochen und die Einwilligung des Patienten eingeholt werden. Ist dies nicht der Fall, dann wird unter Beachtung der gerade skizzierten Grenzen der Patient, der etwa im Aufwachraum
unvorhergesehen agitiert oder delirant aus der Narkose erwacht, für kurze Zeit zu seinem Selbstschutz durch Anbringen von Bettgittern oder anderen Fixierungsmaßnahmen geschützt werden können und müssen.
Grundsätzlich ist die Entscheidung über Fixierungsmaßnahmen dem Arzt vorbehalten, duldet die Maßnahme keinen Aufschub, so darf und muss die Pflegekraft unverzüglich handeln, unterrichtet dann aber den zuständigen Arzt über die Fixierungsmaßnahmen. Im Übrigen muss
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eine ausreichende Dokumentation erfolgen, aus der auch die Beweggründe für diese freiheitseinschränkende Maßnahme ersichtlich werden,
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regelmäßig überprüft werden, ob und welche Maßnahmen noch notwendig sind (Gebot der Verhältnismäßigkeit),
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die Maßnahme so früh wie möglich wieder beendet werden.
Es sollte sichergestellt sein, dass Angehörige über Fixierungsmaßnahmen unterrichtet werden, damit sie die Notwendigkeit dieser sie möglicherweise irritierenden und/oder belastenden Maßnahme verstehen.
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Der Krankenhausträger muss die erforderliche apparative Infrastruktur stellen, die zur adäquaten Versorgung des Patienten notwendig ist.
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Kurzfristige Fixierungen, die den Patienten vor den Risiken willkürlicher Bewegungen schützen, sind in aller Regel von der Einwilligung des Patienten in den Eingriff umfasst.
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Länger dauernde Fixierungsmaßnahmen, die einen Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit des Patienten darstellen, sind nur mit Einwilligung des Patienten bzw. des Bevollmächtigten/Betreuers zulässig.
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Fixierungen über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig bedürfen zusätzlich der Genehmigung durch das Betreuungsgericht, soweit es sich nicht um unaufschiebbare Eilmaßnahmen handelt.
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Fixierungsmaßnahmen bedürfen einer adäquaten Dokumentation, der regelmäßigen Überprüfung und der frühest möglichen Beendigung.
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Weiterführende Literatur
(1) Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) Bremen, Urteil v. 22.10.2009, MedR 2010, 566 ff.; OLG Köln, Beschluss v. 05.05.2010, MedR 2011, 290 ff.; OLG Koblenz, Urteil v. 28.05.2008, VersR 2009, 365; Biermann, E: Recht – kurz gesagt: Im Falle eines Falles haftet der Anästhesist nicht für alles, AINS 2007; 9:665
(2) Weißauer, W: Fixierung unruhiger Patienten – aus rechtlicher Sicht, Chirurg BDC Nr. 6/1995, 134 ff
Autoren:
Prof. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dr. iur. E. Biermann, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Ass. iur. E. Weis, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dipl.-Sozialw. T. Dichtjar, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dr. M. St.Pierre, Anästhesiologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen
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