Fall des Monats Mai 2013 |
24.06.2013 |
CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen
Personal als MRSA-Träger auf Intensivstation Der Fall:(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)Personal als MRSA-Träger auf Intensivstation Wo ist das Ereignis eingetreten?ITS/ IMCTag des berichteten Ereignisses:WochentagVersorgungsart:RoutinePatientenzustand:ASA IVWichtige Begleitumstände:lang bestehende Personalknappheit auf der ITS; zumeist nur 2-3 Pflegekräfte für bis zu 8 Intensivpatienten (bis zu 6 beatmete)Fallbeschreibung:
Auf der voll belegten 8-Betten-Intensivstation akkumulierten binnen kurzer Frist MRSApositive Befunde bei der Hälfte der Patienten. Daraufhin erfolgte die Isolierung dieser Patienten. Im Gefolge entschloss sich die Klinikleitung, auch das beteiligte Pflege- und Ärztepersonal zu screenen. Eine Pflegekraft wurde als Träger identifiziert. Aufgrund der pflegerischen Personalknappheit wurde diese Person vom ärztlichen Direktor (gleichzeitig Vorsitzender der Was war besonders gut?
- MRSA-Screening des Personals. Was war besonders ungünstig? - Dienstverpflichtung eines MRSA-positiven Trägers- Intensivpersonal gehört zum klinikinternen Reanimationsteam - Personalmangel bei sehr pflegeintensiven Patienten Häufigkeit des Ereignisses?seltenWer berichtet?PflegekraftBerufserfahrung:über 5 JahreDie Analyse aus Sicht des Hygienikers und des AnästhesistenVon einem Ausbruch von nosokomialen Infektionen wird gesprochen, wenn mindestens zwei Infektionen mit dem gleichen Erreger auftreten und ein epidemiologischer Zusammenhang anzunehmen ist. Sofern der MRSA-Status der Patienten bei der Aufnahme nicht bekannt war oder im Rahmen eines Aufnahmescreenings festgestellt wurde, handelt es sich bei den beschriebenen Nachweisen von MRSA bei vier Patienten der Intensivstation eindeutig um einen solchen Ausbruch. Neben verschiedenen anderen antiepidemischen Maßnahmen kann als eine Maßnahme des Ausbruchsmanagements bei einer Häufung von MRSA-Infektionen oder -kolonisationen ein Personalscreening realisiert werden. Eine Typisierung der MRSA-Isolate von Patienten und Mitarbeitern ist ebenso wie die Untersuchung weiterer potentieller Übertragungswege unbedingt erforderlich. Ein MRSA-Nachweis bei einem Mitarbeiter (ärztliches oder Pflegepersonal) ist kein Beweis dafür, dass dieser Mitarbeiter auch als Infektionsquelle fungierte. Er kann ebenso wie die Patienten im Rahmen des Ausbruchs besiedelt worden sein.Durch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut wurden 1999 „Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcu-saureus-Stämmen (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen" publiziert [1]. Sie gelten im Vollzug der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes in Deutschland als Stand der Wissenschaft und führen aus, dass"MRSA-Träger unter dem Personal bis zur nachgewiesenen Sanierung keine Patienten behandeln und pflegen sollten“. Diese Empfehlung ist unter der Evidenzkategorie II angegeben und basiert auf „hinweisenden klinischen oder epidemiologischen Studien, die in einigen, aber nicht allen Kliniken anzuwenden sind" [2]. Ausnahmen sind daher in Abhängigkeit vom jeweiligen Infektionsrisiko möglich. Das trifft auch im vorliegenden Fall zu. Die Maßnahmen, die bei der MRSA-Besiedlung des Mitarbeiters zu ergreifen waren, wären folglich im Einzelfall durch ein so genanntes "Ausbruchsmanagement-Team" [3] zu treffen. Die vom ärztlichen Direktor geleitete Hygienekommission kann je nach Zusammensetzung durchaus als ein solches fungieren. Auf der Basis der Einschätzung des jeweiligen Infektionsrisikos kann durch ein Ausbruchsmanagement-Team die Entscheidung getroffen werden, den mit MRSA kolonisierten Mitarbeiter weiterhin für die Versorgung der kohortierten MRSA-positiven Patienten einzusetzen. In dem konkreten Fall könnten folgende Voraussetzungen Grundlage für diese Entscheidung gewesen sein:
Grundsätzlich gilt aber, dass eine pflegerische Personalknappheit nicht Grundlage der Entscheidung sein darf. Der in der Meldung gemachte Hinweis auf in Aussichtstellung einer späteren Freistellung/Krankschreibung spricht eher gegen die oben genannten Entscheidungsgründe. Zahlreiche Kliniken und MRSA-Netzwerke empfehlen, dass mit MRSA besiedelte Mitarbeiter generell keine patientennahen Tätigkeiten ausführen dürfen bis sie "saniert" sind. Das sind alle Tätigkeiten mit direktem Patientenkontakt sowie das Anrichten von Medikamenten, die direkt zum Patienten gelangen. Alternative Tätigkeitsbereiche sind beispielsweise Bürotätigkeiten (Pflegeplanung), Tätigkeiten im Archiv, in der Bibliothek, Administration, bestimmten Bereichen der Zentralsterilisation usw. Zur Erfolgskontrolle der Sanierung sind frühestens 3 Tage nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen je nach MRSA-Nachweis-Lokalisation entsprechende Kontrollabstriche vorzunehmen. Wird in diesen Kontrollabstrichen kein MRSA mehr nachgewiesen, ist die Aufnahme der Tätigkeit in der direkten Patientenbetreuung wieder möglich. In der niederländischen MRSA-Richtlinie werden Personal-Risikogruppen definiert [4]. Personal, das selbst MRSA-Träger ist/war gehört zur Kategorie 1. Dieses Personal darf in den Niederlanden nicht arbeiten bis drei negative Kontrollabstriche die erfolgreiche Dekontamination von MRSA beweisen. Allerdings sind auch diese Empfehlungen nicht mit wissenschaftlichen Untersuchungen belegt. Der Erfolg der Niederlande bei der Prävention von MRSA-Infektionen spricht allerdings dafür. Unabhängig von der medizinischen Sachlage und den rechtlichen Rahmenbedingungen ist in dem Zusammenhang mit dem Fall ein weiterer Aspekt erwähnenswert: Es ist bestens untersucht, dass Patienten mit einem multiresistenten Erreger häufig eine schlechtere medizinische Betreuung erhalten als andere Patienten (siehe hierzu auch Fall des Monats Dezember 2011 [5]). Dies liegt sicher auch daran, dass viele Mitarbeiter befürchten, von dem Erreger kolonisiert oder infiziert zu werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas eintritt, ist extrem gering unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden hygienischen Maßnahmen (z.B. Händedesinfektion, etc.) konsequent eingehalten werden. Trotzdem bestehen Ängste bei dem Personal, welches die Patienten betreut. Es ist auch eine Aufgabe des Hygienebeauftragten, diese unbegründeten Ängste zu thematisieren und durch Aufklärung und entsprechende Schulung zu zerstreuen. Wie oben erläutert, war die getroffene Entscheidung unter bestimmten Voraussetzungen möglich und zulässig. Die Kommunikation zwischen den Entscheidungsträgern und den Betroffenen erscheint beim Lesen des Falles ungünstig verlaufen zu sein. Die Analyse aus Sicht des JuristenDie Problematik der Einhaltung hygiene- bzw. infektionsschutzrechtlicher Bestimmungen hat zwischenzeitlich forensisch zunehmende Bedeutung erlangt. Dies betrifft insbesondere den Aspekt nosokomialer Infektionen. Vor diesem Hintergrund kann auch aus rechtspraktischer Sicht die Einhaltung hygiene- und infektionsrechtlicher Maßgaben nur dringend angeraten werden. Insbesondere betreffend nosokomiale Infektionen ist auf die Anordnungen gem. § 23 Infektionsschutzgesetz hinzuweisen.Laut der medizinfachlichen Fallbesprechung besteht bei der hier vorgenommenen Personalorganisation das Risiko einer Reinfektion mit MRSA. Infolgedessen bietet der Fall besondere Veranlassung, auf Folgendes hinzuweisen: Erfolgt eine Reinfektion vermittels der MRSA-besiedelten Pflegekraft, steht ein sogenanntes „vollbeherrschbares Risiko“ in Rede, da die Reinfektion - ganz schlicht - durch Nichteinsatz dieser Pflegekraft hätte unterbunden werden können. Dergestalt kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast für Verschuldensfreiheit zum Nachteil der Behandlungsseite (vgl. BGH, Entscheidung vom 20. März 2007, Az.: VI ZR 158/06). Dieser rechtssystematische Aspekt wurde zwischenzeitlich vermittels des Patientenrechtegesetzes auch einer expliziten Regelung in § 630 h Abs. 1 BGB zugeführt. Jenseits dessen ist die generelle Maßgabe der Rechtsprechung zu beachten, dass Schutz und Sicherheit des Patienten oberste Maxime bilden müssen. „Vorrang haben das Wohl des Patienten und seine Sicherheit, nicht etwa eine bequemere Organisation des Klinikdienstes“ (BGH NJW1984, 655 (656)). Weiterführende Literatur: [1] Bundesgesundheitsbl 1999: 42: 954–958 [2] Bundesgesundheitsbl 2010; 53: 754–756 [3] Bundesgesundheitsbl.2002; 45:180–186 [4] http://www.wip.nl/ [5] https://www.cirs-ains.de/cirs-ains/publikationen/bda-und-dgai/fall-des-monats/302-fall-des-monats-dezember-2011.html Autoren: PD Dr. rer. nat. et rer. medic. habil. L. Jatzwauk, Universitätsklinik Carl Gustav Carus Dresden Prof. Dr. med. M. Hübler, Universitätsklinik Carl Gustav Carus Dresden Rechtsanwalt R.-W. Bock, Kanzlei Ulsenheimer – Friederich, Berlin |