Fall des Monats Februrar 2018 |
12.06.2018 |
CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen
Alkoholisierter und sedierter Patient wird ohne ärztliche Begleitung verlegt
Der Fall:(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)
Alkoholisierter und sedierter Patient wird ohne ärztliche Begleitung verlegt
Zuständiges Fachgebiet:
Chirurgie
Wo ist das Ereignis eingetreten?Krankenhaus – NotfallaufnahmeTag des berichteten Ereignisses:Wochenende/FeiertagVersorgungsart:NotfallPatientenzustand:Der Patient war alkoholisiert und sediert.Wichtige Begleitumstände:Der Patient wurde durch den Notarzt in die chirurgische Ambulanz eingewiesen.Fallbeschreibung:
Der Patient hatte eine luxierte Patella. Er war vor Ort durch den Notarzt sediert worden, da er die Schmerzen nicht ertragen konnte und man ihn so besser transportieren konnte.
Im Krankenhaus angekommen, erfolgte zwischen dem Notarzt und dem diensthabenden Assistenzarzt der Chirurgie eine Übergabe. Der Patient wurde schnellstmöglich vom Rettungsdienst zur Röntgenabteilung gefahren. Die diensthabende Pflegekraft besorgte in dieser Zeit telefonisch ein Krankenbett, ließ aber dabei den Patienten nicht aus den Augen. Der Notarzt fragte den diensthabenden Arzt, ob er den Patienten nicht begleiten möchte, da dieser ja sediert sei. Der Arzt lehnte dies jedoch ab, es wäre ja nicht nötig. Der Transport von der Röntgenabteilung zur Intensivstation erfolgte ohne ärztliche Begleitung. Was war besonders gut?Der Rettungsdienst unterstützte die ganze Zeit vor Ort die Pflegekraft und der Patient wurde über den Monitor vom RTD überwacht.Eigener Ratschlag (Take-Home-Message)?Der Arzt sollte bei solchen Situationen immer vor Ort zu sein.Wer berichtet?PflegekraftBerufserfahrung:über 5 JahreDie Analyse aus Sicht des AnästhesistenDer Patient war alkoholisiert und sediert. Warum er auf die Intensivstation verlegt werden sollte, bleibt unklar, aber vermutlich war der beeinträchtigte Bewusstseinszustand ausschlaggebend für diese Entscheidung. Ob der Patient vital gefährdet und deswegen intensivpflichtig war, wird nicht näher erläutert. Es ist auch denkbar, dass der bessere Personalschlüssel auf einer Intensivstation im Vergleich zu dem auf einer Normalstationen zu der Entscheidung führte.Die Meldung wurde vermutlich von einer Pflegekraft abgegeben, die sich direkt um die Betreuung des Patienten kümmerte. Offensichtlich war sie anderer Meinung als der diensthabende Arzt der Rettungsstelle. Von außen kann diese medizinische Frage ohne Kenntnis des genauen Sachverhaltes nicht beantwortet werden. Folgende Szenarien sind aber denkbar:
Trifft diese Hypothese zu, dann war die Entscheidung, auf eine Transportbegleitung durch einen Arzt zu verzichten, richtig. Die Kommunikation über den Patientenzustand erfolgte zwischen dem Notarzt und dem Arzt der Rettungsstelle. Die Pflegekraft war offensichtlich der Meinung des Notarztes und sah die Indikation für eine ärztliche Begleitung als gegeben. Die aufdrängende Frage ist, warum sie diese Meinung nicht dem Arzt der Rettungsstelle gegenüber äußerte.
Auch in diesem Fall kann die Transportbegleitung durch nicht-ärztliches, entsprechend qualifiziertes Personal erfolgen. Die Indikation hierfür muss durch den Arzt gestellt werden, der grundsätzlich immer die Verantwortung übernimmt, auch wenn er den Transport nicht persönlich begleitet. War hingegen der Zustand des Patienten hingegen so, dass eine Arztbegleitung erforderlich gewesen wäre, dann war das gewählte Vorgehen sorgfaltswidrig. Unabhängig von der Frage der Überwachungspflichtigkeit des Patienten ist es ungewöhnlich, dass ein Patient ohne Arztbegleitung auf eine Intensivstation transportiert wird. Schließlich sollte dort eine Patientenübergabe von Arzt-zu-Arzt erfolgen – idealerweise entsprechend des SBAR-Konzepts [1]. Falls es sich um ein wiederkehrendes Problem handelt, dann ist es ein Thema, dessen sich die pflegerische gemeinsam mit der ärztlichen Leitung der Notaufnahmen annehmen sollten. Daneben besteht auch die Möglichkeit, das Thema Patientenbegleitung grundsätzlich durch eine krankenhausweite „Verfahrensanweisung Transportbegleitung“ zu regeln. Verantwortlich hierfür ist die Betriebsleitung. In einer solchen Verfahrensanweisung könnte z.B. festgelegt werden, dass bei Transporten angegeben werden muss, wie eine Transportbegleitung bei welchen Patienten erfolgen soll (Qualifikation, Monitoring, etc.). Die Analyse aus Sicht des JuristenAus juristischer Sicht ist zu fragen, ob bei der Versorgung des Patienten die zum Zeitpunkt der Behandlung fachlich geforderten Sorgfaltspflichten beachtet wurden oder nicht. Die rechtliche Betrachtung folgt hier der fachlichen. Im Hinblick auf fachliche Verlautbarungen ist auf die Empfehlung der DIVI zum innerklinischen Transport kritisch kranker, erwachsener Patienten hinzuweisen [2]. Dem Sachverhalt lässt sich aber nicht hinreichend entnehmen, ob es sich um einen kritisch kranken und damit auch auf dem Transport (ärztlich) überwachungspflichtigen Patienten handelte und ob eine ärztliche Transportbegleitung unerlässlich war. So kann nur darauf hingewiesen werden, dass die Frage, wohin der Patient unter welcher Begleitung innerklinisch verlegt wird, zunächst dem aufnehmenden Arzt obliegt. Sollte sich der Pflegekraft indes aufdrängen, dass es dem Arzt unbekannte Umstände gibt oder er von offensichtlich falschen Voraussetzungen ausgeht, dann ist unbeschadet der Grundsätze der Arbeits- und Verantwortungsteilung zwischen Pflegepersonal und Arzt auch von der Pflegekraft zu erwarten, dass sie dem Arzt einen entsprechenden Hinweis gibt. Dieser hat die Bedenken der Pflegekraft dann bei seiner ärztlichen Entscheidung zu berücksichtigen, abzuwägen und trägt dann auch die Verantwortung auch für die richtige Abwägung, der ihm von der Pflegekraft mitgeteilten Fakten.Weiterführende Literatur:
Autoren:
Prof. Dr. med. M. Hübler, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Carl Gustav Carus, Dresden
Dr. iur. E. Biermann, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg Prof. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dipl.-Sozialw. T. Rhaiem, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
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