CIRSmedical Anästhesiologie - Berichten und Lernen
Verstoß gegen die Überwachungspflicht nach Anästhesieverfahren
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Der Fall:
(Aus Gründen der Anonymität wird im Folgenden bei Personen stets die männliche Bezeichnung verwendet.)
Verstoß gegen die Überwachungspflicht nach Anästhesieverfahren
Zuständiges Fachgebiet:
Anästhesiologie
Wo ist das Ereignis eingetreten?
Krankenhaus - AWR
Tag des berichteten Ereignisses:
Wochentag
Versorgungsart:
Routinebetrieb
Patientenzustand:
gemischtes, erwachsenes Patientengut (ASA I bis III)
Wichtige Begleitumstände:
OP im Bereich der oberen Atemwege
Fallbeschreibung:
Die Patienten werden nach einer Allgemeinanästhesie für einen Eingriff im Bereich der oberen Atemwege nicht lückenlos im Aufwachraum überwacht.
Es handelt sich um einen dezentralen OP-Bereich, der aus nur einem OP-Saal und einer Aufwacheinheit besteht. Diese Aufwacheinheit verfügt über einen Monitorplatz zur postoperativen Überwachung und einen zweiten Platz, auf dem der jeweils nächste Patient auf den Eingriff wartet. Saal und Aufwacheinheit sind durch eine Art Flur räumlich getrennt. In diesem Bereich besteht das Anästhesie-Team regelmäßig aus einem Anästhesisten (Facharzt oder Kollege mit Facharztreife) und einer Anästhesiepflegekraft. Seit vielen Jahren ist es üblich, dass der erste Patient nach Ausleitung in den Aufwachraum gebracht wird. Er wird dort mittels Monitor überwacht (oft nur mittels Pulsoxymetrie) und das Anästhesie-Team beginnt unmittelbar mit der Vorbereitung und Anästhesie beim nächsten Patienten.
Die "Überwachung" des ersten Patienten erfolgt dann vom Saal aus. Der Aufwachraum ist dabei (bei geöffneten Türen) nur teilweise einsehbar, d.h. man sieht das Fußteil des Bettes, aber weder den Monitor noch das Gesicht des Patienten. Nach einem Beinahe-Zwischenfall vor einigen Monaten, wurde dieses Vorgehen von einigen der dort eingesetzten Kollegen mit Verweis auf die "Empfehlung zur Überwachung nach Anästhesieverfahren" kritisiert und die regelmäßige Besetzung mit einer zweiten Pflegekraft für den Aufwachraum gefordert. Mit Hinweis auf die nicht zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen (zu wenig Stellen, tlw. unbesetzte Stellen, hoher Krankenstand) wurde diese Forderung als nicht umsetzbar gesehen. Sowohl die pflegerische als auch die ärztliche Leitung empfanden es als ausreichend, wenn im Regelbetrieb z.B. ein Praktikant (z.B. ein Auszubildender aus dem Rettungsdienst oder ein Krankenpflegeschüler) diese Überwachung übernimmt, da sowohl der Anästhesist als auch die Pflegekraft in unmittelbarer Nähe seien (ggf. aber bei der Einleitung und Anästhesie des nächsten Patienten gebunden sind!).
Selbst diese personelle Ausstattung ist aber nur in Ausnahmefällen vorhanden. Einige Kollegen haben daher die persönliche Konsequenz gezogen und nach der ersten Anästhesie zunächst die Überwachung des Patienten selbst übernommen und erst nach Entlassung des ersten Patienten aus dem Aufwachraum die zweite Anästhesie begonnen. Dies führt verständlicherweise zu deutlich verlängerten Wechselzeiten und zum Unmut bei den Operateuren. Nach Beschwerde des Operateurs wurde daher der Anästhesist abgezogen und durch einen Kollegen abgelöst, der bereit war "das Risiko einzugehen" und Anästhesie(-einleitung) und postoperative Überwachung parallel durchzuführen.
Was war besonders gut?
Bisher kam es "nur" zu einem Beinahe-Zwischenfall (Entsättigung eines Patienten bis ca. 30-40%) ohne bleibenden Patientenschaden.
Die Kollegen der OP-Pflege sehen hin und wieder nach den Patienten.
Bei Kindern wird eine Fachpflegekraft zur postoperativen Überwachung eingesetzt.
Was war besonders ungünstig?
Das beschriebene Vorgehen beschreibt nicht eine Ausnahme, sondern das regelmäßige, nahezu tägliche Vorgehen in diesem Bereich. Hier erfolgen nur Eingriffe im Kopf-Hals-Bereich. Weder pflegerische noch ärztliche Leitung der Anästhesie sehen einen Handlungsbedarf.
Durch die mangelnde Einigkeit der Kollegen, finden sich immer welche, die so weiter machen - weil man es schon immer so macht. So ist die Weigerung des einzelnen weder dem Operateur verständlich noch wird sich etwas ändern.
Eigener Ratschlag (Take-Home-Message)?
Die Einhaltung der "Empfehlung zur Überwachung nach Anästhesieverfahren" sollte als Muss verstanden werden und nicht als "es wäre schön, wenn". Im Zweifel sollte das stets elektive Programm gekürzt werden und die längeren Wechselzeiten in Kauf genommen werden.
Häufigkeit des Ereignisses?
fast täglich
Wer berichtet?
Arzt / Ärztin
Berufserfahrung:
über 5 Jahre
Die Analyse aus Sicht des Anästhesisten
Der Melder schildert eine schwierige Situation für den Anästhesisten: Er hält eine Überwachung nach einem Anästhesieverfahren gemäß den Empfehlungen unserer Fachgesellschaften (Betreuung durch speziell weitergebildetes Pflegepersonal) [1] für erforderlich und lehnt den Einsatz von Praktikanten ab. Auch die in der Meldung erwähnte rudimentäre Überwachung mittels Pulsoxymetrie entspricht nicht dem geforderten Standard. Der Anästhesist wird aber von dem Arbeitgeber aufgefordert, gegen die Empfehlungen zu verstoßen. Mitarbeiter, die sich weigern, werden ausgetauscht. Grundsätzlich haben Empfehlungen eine geringere Verbindlichkeit als Richtlinien und Leitlinien, aber ist man gut beraten, sie zu ignorieren?
Wir sind die Vertreter der Patienten
Eine Anästhesie ist mit einem Kontrollverlust verbunden. Patienten werden für einen gewissen Zeitraum ihrer Sinne beraubt – sie verlieren das Bewusstsein und vertrauen darauf, dass wir ihre Wächter sind und allen Schaden von ihnen abwenden. Diese Wächterfunktion war einer der wichtigsten Triebkräfte, die zur Entstehung des Facharztes für Anästhesie geführt hat. Im Laufe der Jahre wurde die Erfahrung gemacht, dass Patienten auch noch eine gewisse Zeit nach einer Anästhesie weiter bewacht und betreut werden müssen. Dies führte im nächsten Schritt zur Einführung von Aufwachraumeinheiten.
Wir können zu Recht stolz darauf sein, dass die Komplikationsraten nach Anästhesien extrem niedrig sind. Die Seltenheit von gravierenden Ereignissen darf aber nicht zu der Fehleinschätzung führen, dass z.B. eine postoperative Überwachung nur noch nachlässig oder gar nicht durchgeführt werden braucht. Denn es ist auch die regelhafte postoperative Überwachung, die die Seltenheit von Ereignissen bedingt. Der Verzicht auf eine solche Überwachung stellt einen Verstoß der Vereinbarung mit dem Patienten dar. Dieser wird einem Risiko ausgesetzt, das er nicht beeinflussen kann. Wäre er im Vorfeld darüber informiert worden, wäre seine Wahl sicher auf ein anderes Krankenhaus gefallen.
Medizinische Organisationsstruktur ist hierarchisch aber nicht militärisch
In der Bundeswehr gibt es das Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ (geregelt im Soldatengesetz). Entstanden ist es aus den Erfahrungen der Wehrmacht im 2. Weltkrieg, als die absolute Befehlsausführung höchste Priorität hatte. Heute sollen Soldaten keine blinden Befehlsempfänger mehr sein, sondern aus Einsicht und Überzeugung handeln. Mit dem Soldatengesetz wurde die Pflicht zum Gehorsam auf rechtmäßige militärische Befehle eingeschränkt.
Deutsche Krankenhäuser sind oft sehr hierarchisch strukturiert. Der Chefarzt gibt Anweisungen und erwartet, dass seine Mitarbeiter diese umsetzen. Der Ausführende kann sich aber nicht der Verantwortung entziehen, denn er ist ein mündiger Arzt und ist im Falle eines Patientenschadens mitverantwortlich. Er ist daher verpflichtet, die Maßnahmen – oder hier der Verzicht auf eine Maßnahme – zu überprüfen, bevor er sie umsetzt. Natürlich kann bei der Behandlung von Patienten eine gewisse Befehlsstruktur durchaus sinnvoll sein (z.B. im Schockraum), aber dieser Gehorsam darf sich nur auf rechtmäßige medizinische Befehle beschränken, die entsprechend begründet werden können. Personalmangel oder ökonomisch motivierte Sparmaßnahmen zählen nicht dazu. Der Arzt ist deswegen geradezu verpflichtet, sich der Anweisung seines Vorgesetzten zu wiedersetzen.
Die Kollegen, die der Patientensicherheit die höchste Priorität gegeben haben, haben alles richtiggemacht. Wir gratulieren ihnen zu ihrer Standhaftigkeit! Die Tatsache, dass diese Entscheidung nicht von allen mitgetragen wird („Es wird schon immer so gemacht.“) spricht nur gegen diese Kollegen.
Schuld
Neben der rechtlichen Schuldfrage (s.u.) gibt es auch eine moralische Schuld. Sie ist definiert als ein Verstoß gegen das Gewissen („Ich weiß die medizinischen und moralischen Gründe, warum Patienten nach Anästhesien überwacht werden müssen.“) und die sittlichen Normen („Ich kenne die Empfehlung der Fachgesellschaften.“) nach freier Entscheidung („Ich verstoße bewusst gegen Regeln.“).
Folgender Absatz ist für die Anästhesisten, die bereit sind, gegen die Empfehlungen zu verstoßen:
Wie bereits erwähnt, sind Anästhesien extrem sicher, aber gelegentlich passiert doch etwas. Stellen Sie sich einmal ein solches Ereignis im AWR vor, welches sich nur ereignete, weil keine kompetente personelle Besetzung sichergestellt wurde. Sie wussten von dem Mangel, haben aber das Risiko in Kauf genommen – wobei streng genommen, nur der Patient das Risiko hatte. Glauben Sie, Sie können einfach weitermachen als sei nichts geschehen?
Folgender Absatz ist für die ärztlichen und pflegerischen Leitungspersonen:
Natürlich sind Sie organisatorisch verantwortlich und können sich nicht herausreden. Ist Ihnen aber auch bewusst, welche Bürde Sie Ihren Mitarbeitern aufschultern, wenn Sie von diesen verlangen, bewusst gegen anerkannte Sicherheitsstandards zu verstoßen?
Folgender Absatz ist für die kaufmännische Leitung des Krankenhauses:
Die erforderliche Überwachung nach einem Anästhesieverfahren ist keine wirtschaftliche sondern eine rein medizinische Fragestellung. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die verantwortlichen Fachabteilungen ausreichend Personal gestellt bekommen oder dass die dezentrale Lage des Arbeitsplatzes durch Baumaßnahmen beendet wird. Die Patienten erwarten die höchste Qualität und Sicherheit bei ihrer Behandlung. Diese wird nur durch zufriedene, motivierte Mitarbeiter und gute Arbeitsbedingungen erreicht. Es ist essentiell, nicht zu vergessen, dass die Außenwirkung eines Zwischenfalls beträchtlich sein kann.
CIRS
Diese CIRS-Meldung liest sich wie ein Hilfeschrei. Nach einem Beinahe-Zwischenfall wurde das Problem thematisiert und eine entsprechende personelle Aufstockung gefordert. Als diese nicht erfolgte, haben einige Kollegen die richtige Konsequenz gezogen, und an diesem Arbeitsplatz entweder nicht mehr gearbeitet oder aber die Patientensicherheit höher gewertet als die OP-Saal-Auslastung.
Die Frustration über die Ignorierung von richtiger Kritik ist sehr gut nachvollziehbar. Die Konsequenz darf aber nicht sein, in Zukunft die Probleme nicht mehr anzusprechen. Veränderungen benötigen oft eine lange Zeit und Erfahrungen, die alle machen, die sich mit dem Thema Patientensicherheit befassen, sind, dass sich viele Themen wiederholen und dass Hartnäckigkeit wichtig ist.
Die Analyse aus Sicht des Juristen
Das Kammergericht Berlin [2] hatte sich im Jahr 1983 mit folgenden Sachverhalt zu beschäftigen: Bei einer Patientin wurde im Jahr 1978 eine Carotisangiographie unter Neuroleptanalgäsie mit Intubation durchgeführt. Nach der Angiographie wurde die Patientin in wachem und ansprechbarem Zustand auf einem Bett liegend in einen Nebenraum geschoben. Dieser Standplatz war ca. vier Meter vom Arbeitsplatz der Anästhesistin entfernt, es bestand Sicht- und Rufkontakt. Die Anästhesistin sprach die Patientin auch mehrmals an und fragte nach ihrem Befinden, die Patientin antwortete. Im Untersuchungsraum bereitete die Anästhesistin dann unter Assistenz einer Pflegekraft die nächste Narkose vor; in den folgenden Minuten bestand teilweise kein Sichtkontakt zur Patientin im Nebenraum. Ca. fünf Minuten nach Einleitung der nächsten Narkose wird die Patientin im Nebenraum ohne tastbaren Puls und ohne Atmung aufgefunden, sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen waren erfolgreich, doch klagt die Patientin in der Folgezeit über erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen. Das Kammergericht Berlin ist der Auffassung, dass der Krankenhausträger wegen eines Organisationsverschuldens der Patienten auf Schadenersatz haftet, weil er nach einer Vollnarkose in der kritischen Aufwachphase nicht für eine lückenlose Überwachung des Patienten – mit Sichtkontakt mindestens alle zwei Minuten – gesorgt hat.
Das Kammergericht führt in der Urteilsbegründung aus: „Der Krankenhausträger schuldet – wie auch jeder Arzt – dem Patienten die nach den gegebenen Möglichkeiten sicherste Form der Behandlung, ihn trifft die durch seine Ärzte zu erfüllende Verpflichtung, sich in der kritischen Zeit um den Zustand des operierten Patienten zu kümmern und diesen wirksam unter Kontrolle zu halten… Der Zeitraum unmittelbar nach Ausleitung einer Narkose ist für den Patienten kritisch. Für eine Überwachung des Patienten ist daher Sorge zu tragen. … Selbst wenn der Patient spontan in ausreichendem Maße atmet und die Schutzreflexe wieder hergestellt sind, so ist er doch unmittelbar nach Ausleitung der Narkose noch nicht voll wach und steht noch unter dem nachwirkenden Einfluss jedenfalls der länger wirkenden bei der Narkose verabreichten Medikamente. Er ist in diesem Zustand noch schutzbedürftig und bedarf daher auch der Überwachung. … Dem somit bestehenden Überwachungsbedürfnis ist die seinerzeitige Organisation … für die Arbeitsabläufe und Vorsorgemaßnahmen nicht gerecht geworden. Das Röntgenpersonal verließ nach dem Ende der einen Untersuchung die Untersuchungsräume und kehrte erst wieder zurück, nachdem zu erwarten stand, dass der nächste Patient narkotisiert war. In der Zwischenzeit hielten sich in den Untersuchungsräumen nur die Anästhesistin und die Narkoseschwester auf, die nach Ausleitung der ersten Narkose mit der Narkose beim nächsten Patienten begannen, von da ab an also für zwei Patienten zu sorgen hatten. Dies war unproblematisch und daher von der Organisation her nicht zu beanstanden, solange der erste Patient noch nebenbei durch Sichtkontakt oder Anrufe überwacht werden konnte. An diese Zeit schloss sich jedoch eine „Überwachungslücke“ an, die vom Beginn bis zum Ende der Intubation beim nächsten Patienten wehrte. In diesem Zeitraum von normalerweise etwa eineinhalb bis zwei Minuten waren die Narkoseärztin und -schwester voll mit der Intubation des neuen Patienten beschäftigt, sie hatten, wie sich aus der Aussage der Narkoseärztin ergibt und auch zwischen den Parteien unstreitig ist, teilweise keinen Sichtkontakt zur ersten Patientin und jedenfalls keine Zeit und Gelegenheit, sich um sie zu kümmern; die Narkoseärztin war in dieser Zeit an ihren Arbeitsplatz beim nächsten Patienten gebunden, sie hätte (der Patientin) selbst dann nicht helfen können, wenn der aufgetretenen Zwischenfall bemerkt worden wäre. Eine ständige Überwachung der (Patientin) war daher schon vom Arbeitsablauf her nicht gewährleistet. Diese Überwachungslücke kann auch nicht deswegen hingenommen werden, weil ... nach einem Zeitintervall von bis zu zwei Minuten in aller Regel noch keine bleibenden Schäden zu befürchten sind. Abgesehen davon, dass nach Möglichkeit auch nicht bleibende Schäden zu vermeiden sind, ist auch nicht gewährleistet, dass die Überwachungslücke tatsächlich immer nur etwa zwei Minuten andauert. Bei der Intubation des nächsten Patienten können sich Schwierigkeiten ergeben, deren Behebung Zeit kostet, so dass sich die Überwachungslücke im Einzelfall durchaus über die kritische Grenze von zwei Minuten hinaus ausdehnen kann. … Diese Überwachungslücke hätte aber in sehr einfacher und keinerlei Aufwand erfordernden Weise geschlossen werden können, nämlich dadurch, dass jedenfalls ein Mitglied des Röntgenpersonals nur wenig früher als sonst in den Untersuchungsraum zurückkehrt, bzw. dass die Intubation des nächsten Patienten erst dann eingeleitet wird, wenn die weitere Überwachung des zuvor behandelten Patienten gewährleistet ist.“
Auch wenn im Urteil des Kammergerichtes Berlin das Organisationsverschulden im Vordergrund steht, darf nicht die Andeutung des Gerichts übersehen werden, dass u.U. auch der Anästhesistin ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Unter dem Aspekt des Übernahmeverschuldens/der Übernahmefahrlässigkeit käme auch ein Behandlungsfehler des Anästhesisten in Betracht, der die Versorgung eines Patienten übernimmt, dabei aber weiß oder bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt hätte wissen können, dass dessen notwendige postoperative Überwachung nicht gewährleistet ist. Wie das Kammergericht deutlich macht und auch der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen stets herausgestrichen hat, geht die Sicherheit des Patienten allen anderen Überlegungen, insbesondere ökonomischen, vor.
Insofern ist es richtig, dass die beteiligten Anästhesisten in der Meldung das weitere Anästhesieverfahren erst dann begonnen haben, wenn die Versorgung des vorherigen Patienten gewährleistet war. „Drängelnden Operateuren“ kann entgegen gehalten werden, dass sie, da sie die Verhältnisse kennen, bei einem auf mangelhafter Überwachung beruhenden Zwischenfall selbst zivilrechtlich haftbar und strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können.
Im Übrigen geht nicht nur die Sicherheit des Patienten vor, der Krankenhausträger hat bei der Organisation der Versorgungsabläufe auch zu gewährleisten, dass seine Mitarbeiter vor vermeidbaren Risiken geschützt werden. Dies betrifft dann auch vermeidbare Vorwürfe wegen eines Übernahmeverschuldens mit entsprechenden zivil- oder strafrechtlichen Konsequenzen. Die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht des Krankenhausträgers gebietet es, die Abläufe so zu organisieren, dass die Mitarbeiter sich diesen Risiken eben nicht aussetzen – von den Risiken für den Patienten einmal ganz abgesehen. Deshalb sind die beteiligten Ärzte gut beraten, sich – von echten, zeitlich dringenden Notfällen abgesehen – gemeinsam Gedanken über die Versorgungsabläufe und die Sicherheit des Patienten zu machen. Auf Mängel ist der Krankenhausträger, gegebenenfalls wiederholt, aufmerksam zu machen. Es ist seine Aufgabe, für eine sichere Patientenversorgung innerhalb und außerhalb der Regeldienstzeiten zu sorgen. Eine Ablauforganisation, die den Sorgfaltspflichten der Fachgebiete und damit den Sicherheitsinteressen des Patienten zuwiderläuft, kann der Krankenhausträger arbeitsrechtlich nicht erzwingen.
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Bei medizinisch begründeten Bedenken ist die Patientensicherheit höherwertiger als Anweisungen der Leitungsebene.
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Die Ignorierung von Kritik darf nicht in einer Frustration enden, sondern sollte Antrieb sein, weiter die Probleme zu thematisieren.
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Zur Vermeidung des Vorwurfs eines Organisationsverschuldens muss auch in der kritischen postoperativen Aufwachphase für eine lückenlose Überwachung gesorgt werden.
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Weiterführende Literatur:
Autoren:
Prof. Dr. med. M. Hübler, Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinik Carl Gustav Carus, Dresden
Dr. iur. E. Biermann, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Prof. Dr. med. A. Schleppers, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
Dipl.-Sozialw. T. Rhaiem, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, Nürnberg
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